In einer Zeit, die unsere Gesellschaft zunehmend mit Krisen konfrontiert, sind Initiativen zur Förderung der psychischen Gesundheit zunehmend von entscheidender Bedeutung. Dieser Verantwortung stellte sich die Stiftung Polytechnische Gesellschaft im vergangenen Jahr mit der Einführung einer dreijährigen Förderlinie zur Stärkung der psychischen Gesundheit der Menschen in Frankfurt am Main. Ein Jahr nach dem Start bieten der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich, Förderbereichsleiterin Daphne Lipp und Dr. Christina Braun, Projektleiterin im Förderbereich, einen Einblick in die Aktivitäten und Erkenntnisse aus dem ersten Jahr der Initiative.
Die Förderlinie "Psychische Gesundheit" sei Anfang 2023 breit angelegt worden, um verschiedene Bedarfslagen und Zielgruppen zu berücksichtigen, berichtet Daphne Lipp: "Wir haben vorab diskutiert, ob wir die Förderlinie auf einzelne Zielgruppen einschränken sollten, da gerade Kinder und Jugendliche während und nach der Corona-Pandemie eine besondere Belastung erlebt haben", erinnert sich Lipp. "Wir haben uns dann aber für eine breite Ausschreibung entschieden, weil es auch andere Gruppen gibt, die einen hohen Bedarf haben, die aber vielleicht nicht so stark im medialen Fokus stehen."
Prof. Dievernich stellt fest: "Unterstützung Dritter ist bereits in Höhe fünfstelliger Beträge sehr hilfreich. An zunehmend vielen Stellen in der Gesellschaft entstehen Projekte zu dieser Thematik. Diese Breite wollen wir fördern." Daher seien im vergangenen Jahr 15 Projekte, die sich für die Stärkung der psychischen Gesundheit und Resilienz einsetzen, mit einer Fördersumme von 116.000 Euro im Rahmen der Förderlinie unterstützt worden. In 2024, dem zweiten von drei Jahren der Sonderförderlinie, werden 150.000 Euro bereitgestellt werden, kündigt Dievernich an.
Aufklärung, Unterstützung und Vernetzung
Die bisher geförderten Projekte können drei Hauptthemenfeldern zugeordnet werden: Aufklärung und Prävention, direkte Unterstützung von Betroffenen und deren Angehörigen sowie Kommunikation und Vernetzung. "Viele Menschen werden durch eine ausbleibende oder zu späte Behandlung für längere Zeit arbeitsunfähig," macht Christina Braun deutlich. "Das hat natürlich eine volkswirtschaftliche Dimension, kann aber auch vielfältige soziale und isolierende Konsequenzen haben. Dabei stehen in den meisten Fällen wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Je früher man ansetzt, desto besser sind die Chancen auf erfolgreiche Behandlung. Das fängt mit Aufklärung und Entstigmatisierung an." Deshalb seien im Themenfeld "Aufklärung und Prävention" vor allem Projekte gefördert worden, die sich an Kinder und Jugendliche im Schulkontext richten. Braun hebt das Projekt FLASH hervor, das über verbreitete Störungsbilder im Jugendalter in der Schule informiert. "Eine besondere Innovation dieses Projekts ist die Einbeziehung ehemaliger Betroffener", so Braun. "Sie sind selbst noch junge Erwachsene und können aus erster Hand von ihren psychischen Erkrankungen berichten." Ein weiteres wichtiges Förderprojekt für Schülerinnen und Schüler sei der Schul-Suizidpräventionstag, der von der tomoni health GmbH durchgeführt wird und eine Plattform für offene Diskussionen und Aufklärung biete.
»Mit unserer Förderlinie zur Psychischen Gesundheit wollen wir konkrete Hilfe für erfolgsversprechende Projektvorhaben in diesem Themenfeld leisten.«
Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich
Vorstandsvorsitzender Stiftung Polytechnische Gesellschaft
Psychische Erkrankungen werden häufig an sogenannten biografischen Übergangsstellen sichtbar. Die Projekte, die im Themenkomplex der direkten Unterstützung von Betroffenen und deren Angehörigen gefördert wurden, richten sich daher nicht nur an junge Menschen, sondern adressieren auch Bedarfe im Alter, unter Studierenden und Geflüchteten. "Einsamkeit und Depression im Alter sind Themen, die noch wenig wahrgenommen werden. Daher haben wir die Veranstaltungsreihe 'Älterwerden heute' des Frankfurter Bürgerinstituts gefördert, die sich speziell mit der psychischen Gesundheit älterer Menschen beschäftigt", erklärt Lipp. Weitere geförderte Initiativen sind der Selbsthilfe-Verein in Frankfurt mit einem niedrigschwelligen Einstiegsangebot sowie die "Nightline" und das Projekt "Call-a-Cab", die von Studierenden für Studierende betrieben werden und Beratungs- bzw. Begleitmöglichkeiten bieten. Darüber hinaus wurden Unterstützungsangebote für Geflüchtete bereitgestellt, einschließlich spezieller muttersprachlicher Angebote für ukrainische Geflüchtete.
"Mit unserer Förderlinie zur Psychischen Gesundheit wollen wir konkrete Hilfe für erfolgsversprechende Projektvorhaben in diesem Themenfeld leisten", so Dievernich. "Wir wollen damit auch einen Anstoß für die Diskussion geben, was es bedeuten kann, eine psychisch gesunde Stadt zu entwickeln. Wir fühlen uns dem Sozialen, Karitativen und Humanitären in unserer Stadt verpflichtet. Die Gesundheit ist dabei ein elementar wichtiges Thema. Dies umso mehr in Zeiten, in denen Krisen leider Gottes wohl eher das neue Normal darstellen. Menschen hier zu stärken, so dass sie selbstbestimmt Handeln können, ist ein erster Schritt, um aus dem Krisenmodus auszusteigen."
Synergien schaffen, Wirkung entfalten
"Unser Ziel ist es auch, die vorhandenen Angebote in Frankfurt bekannter zu machen, zu vernetzen und so auch den Zugang zu Hilfe und Informationen zu erleichtern", erläutert Braun die Kriterien zur Projektauswahl im Themenfeld Kommunikation und Vernetzung. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür sei die im Mai 2024 bevorstehende Einführung der "Frankfurter Informationsplattform für schizophrene Psychosen", kurz FIPPS, die von mehreren Frankfurter Stiftungen gefördert wird. Die Plattform wird eine umfassende Informationsquelle über Psychosen und deren Behandlung bieten – für Betroffene, ihre Familien und Angehörigen. "Die Förderung der FIPPS-Plattform ist ein schönes Zeichen dafür, dass sich Stiftungen in Frankfurt für diese Sache zusammenschließen", freut sich Daphne Lipp. Dafür spielt auch das Früherkennungszentrum (FEZ) an der Uniklinik eine wichtige Rolle, das bereits im Februar eröffnet und von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft ebenfalls gefördert wurde.
"Mit der Förderlinie möchte die Stiftung dazu beitragen, dass Frankfurt im Umgang mit dem Thema 'Psychische Gesundheit' gut aufgestellt ist und in der Zukunft einmal zu einer Modellregion für andere Städte werden kann", erläutert Daphne Lipp die Zielsetzung der Initiative. "Ein wichtiger Punkt ist hier, Menschen den Zugang zu Hilfsangeboten zu erleichtern, die etwa aus sozio-ökonomischen Gründen oder aufgrund von sprachlichen oder kulturellen Barrieren schwerlich den Weg ins Versorgungssystem finden." Die Modellhaftigkeit der geförderten Einzelprojekte und die Vernetzung der vielfältigen Akteure in der Stadt – im Sinne eines voneinander Lernens – sollen auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen beim Engagement zur Förderung der psychischen Gesundheit in Frankfurt: "Dazu möchten wir in Zukunft auch mit Netzwerktreffen für unsere Geförderten beitragen. Die vielfältigen bestehenden und die neuen Angebote sollen miteinander in Kontakt gebracht und noch breiter in die Stadtgesellschaft kommuniziert werden, damit Synergien entstehen und die Initiativen so eine größere Wirkung entfalten können", führt Lipp weiter aus.
Niemanden zurücklassen
In Frankfurt falle die Thematik der Förderlinie auf fruchtbaren Boden, vieles sei in der Stadt bereits im Gange, berichtet Lipp: "Es gibt tolle Träger, die hier in Frankfurt gegründet wurden und bundesweit aktiv sind. Wir haben mit dem Ausrufen der Förderlinie nicht lange gezögert, weil wir den großen Bedarf erkannt haben. Im Sinne einer 'lernenden Organisation' wollen wir hier nun auch selbst weiter dazulernen und zum Beispiel herausfinden, welche guten Ansätze es anderswo gibt, die man nach Frankfurt bringen könnte, zum Beispiel in Form eines gemeinsamen Projekts. Transfer ist in all unseren Stiftungsprogrammen ein wichtiges Thema," erläutert Lipp die nächsten Schritte.
"Das Thema ist so menschlich, dass jeder – sei es direkt oder indirekt – Berührungspunkte damit hat", fasst Braun auch ihre ganz persönliche Erfahrung in der Arbeit mit der Förderlinie zusammen. "Wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt, öffnet das den Blick dafür, dass auch schwere psychische Erkrankungen insgesamt sehr verbreitet sind und in allen gesellschaftlichen Schichten vorkommen. Dazu kommt, dass jeder von ihnen Angehörige und andere Menschen hat, die die Situation ebenfalls betrifft und die Unterstützung brauchen. Es kann jeden betreffen, und jeder wünscht sich in so einem Moment Unterstützung." Prof. Dievernich ergänzt: "Entscheidend ist, dass wir als Stiftung dieses Thema stärken und in die Öffentlichkeit zurückspielen. So sind wir ein wichtiger Verstärker dieser Welle geworden. Viele Menschen informieren sich auch auf unserer Website über das Thema. Daran sehe ich, dass wir hier richtig unterwegs sind. Über Schnupfen sprechen wir ganz selbstverständlich, jedoch sind wir viel passiver unterwegs, was das Thema Psychische Gesundheit angeht. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass das Thema genauso normal wird, wie entsprechende Unterstützungsstrukturen für die unterschiedlichen Zielgruppen. Hier gibt es noch viel zu tun. Wir wollen darauf hinwirken, dass man sagen kann: 'Frankfurt ist eine Stadt, die versteht und sich kümmert.'" Lipp stellt ebenfalls fest: "Nur wer selbst gesund ist, kann einen Beitrag zur Gemeinschaft leisten. Das ist die Grundlage für alles. Denjenigen, die besonders belastet sind oder auch eine schwierige Ausgangssituation haben – denen müssen wir sagen: 'Wir lassen euch als Gesellschaft nicht zurück, wir sind für euch da.' Das ist das Grundverständnis unserer Stiftungsarbeit."