Möglichst früh das Interesse am Studium der Ingenieurs- und Naturwissenschaften wecken, das ist das Ziel der Junior-Ingenieur-Akademie. In Frankfurt am Main wird das Projekt seit 2009 nach dem Modell der Deutsche Telekom Stiftung in Kooperation mit der Stiftung Polytechnische Gesellschaft inzwischen an vier Schulen durchgeführt. Wir haben die aktuelle Projektgeneration der Elisabethenschule besucht.
Wer die Projekträume der Junior-Ingenieur-Akademie in der Pavillonanlage der Elisabethenschule betritt, fragt sich: Bin ich hier noch in Frankfurt oder schon in einer Marskolonie gelandet? In einer Ecke zischt ein Selbstbewässerungssystem, mitten im Raum recken sich Wasserlilien an meterhohen Gestellen Richtung Zimmerdecke und in einem dunkelgrünen Tank blubbern Algen vor sich hin. "Marsmission" lautet das Thema dieses Jahrgangs der Junior-Ingenieur-Akademie, und es stellt die Schülerinnen und Schüler vor ganz verschiedene Fragestellungen: Welche Bedingungen herrschen auf dem roten Planeten? Wie kann ein Leben dort ermöglicht werden? Und welche Lehren können wir daraus für unser Leben auf der Erde ziehen?
Die Projekte, die die jungen Forscherinnen und Forscher so eindrucksvoll präsentieren, zeichnen sich jedoch auch dadurch aus, dass sie platzsparend und gewichtsarm konstruiert sind und zu einem möglichst autarken Leben beitragen. Denn jedes von ihnen ist so konzipiert, dass es sich ohne ständige Beobachtung selbst am Leben erhält. Diese Eigenschaften sind nicht nur für eine Marsmission unverzichtbar, sondern auch überaus praktisch, um den Alltag in einer irdischen Stadt zu begrünen oder aber den Herausforderungen des Klimawandels in lebensunfreundlich gewordenen Gebieten zu begegnen. Ihre Recherchen stellen die Gruppen unter fachgerechter Betreuung von Dr. Sabine Leiser an, Lehrerin der Biologie und Chemie, sowie von Silvana Mauceri, Lehrerin der Mathematik, Informatik und Physik an der Elisabethenschule. "Die Reise auf den Mars ist mit vielen technischen Herausforderungen verbunden, die uns auf der Erde in ähnlicher Form begegnen", erklärt Dr. Leiser. "Die Projekte der JIA helfen dabei, auch das Leben auf der Erde besser zu machen."
Fokus auf Autonomie
Um die logistischen Herausforderungen im Weltall kümmert sich die Technik-Sektion der Junior-Ingenieur-Akademie. Der 3D-Drucker mit Eigenantrieb von Paul Eichmann, Noah Zehnpfund und Pascal Domann sorgt dafür, dass die Astronautinnen und Astronauten einen geeigneten Unterschlupf auf dem Mars haben: Dank der professionellen Bedienung der drei Jung-Ingenieure druckt er das halbkugelförmige Dach für eine Art Mars-Iglu für sie. Von links nach rechts, von rechts nach links dreht sich dazu der Roboterarm und Paul, Noah und Pascal beobachten gespannt, dass auch alles nach Plan läuft.
Aus Legosteinen haben drei Gruppen der Junior-Ingenieur-Akademie zudem jeweils einen funktionstüchtigen Mars-Rover gebaut, der für unterschiedliche Vorgänge verwendet werden kann: Ausgestattet durch einen stabilen Greifarm kann der Rover von Carina Stumpf und Caroline Clausen Gegenstände aufnehmen und auf der Plattform des Rovers von Jonah Kux und Jan Ole Braulke zum Weitertransport abstellen. Ein ganz praktischer Vorgang, mit Begeisterung geplant und ausgeführt von den Schülerinnen und Schülern. "Dank des Kettenantriebs kann er sich auch auf steinigem und steilem Gelände sicher bewegen", bemerkt Jonah auf seinen Rover fixiert, der gerade eine texturierte Rampe erklimmt. Damit er das auch ohne Steuermann oder -frau tut, beschäftigen sich Moritz Endres und Robin Cordemann mit dem Thema "Autonomes Fahren". "Unser Rover erkennt die grüne oder rote Farbe eines Holzblocks und umfährt ihn je nach Farbe rechts oder links," erklären die beiden stolz. Mit ihrem Projekt nehmen sie an der World Robot Olympiad in der Wettbewerbskategorie "Future Engineers" der Gisela und Erwin Sick Stiftung und der Heidehof Stiftung teil. Dazu ermutigt hat sie Silvana Mauceri, die alle Rovergruppen der Junior-Ingenieur-Akademie fachmännisch betreut.
Durch diese Transportinnovationen kann beispielsweise das "Faltbare Gewächshaus" von Liv Helen Dittmeyer, Moritz Hipp und Yannick Reinhard transportiert und platziert werden. Nachdem es sich unter dem nervösen Blick der Jung-Ingenieure durch einen Pump-Mechanismus selbst aufgebaut hat, sorgt ein Bewässerungsnetz für die Versorgung der Pflanzen, die in vier verschiedenen Feldern angepflanzt werden können. So bedient das Modell auch die unterschiedlichen Bedürfnissen der Pflanzen: Die Konstruktion erlaubt es ihnen, nur das Wasser zu verbrauchen, das sie wirklich benötigen. "Das spart Ressourcen und Zeit, denn der Tank des Gewächshauses muss so nur alle paar Tage neu gefüllt werden", veranschaulichen die drei das Projekt, das sie so auch während ihres Schulalltags funktionstüchtig halten.
Auf diese Art wird auch der vertikale Garten von Carla Bürger, Sophia Gramlich, Julie Matejka, Timea Tomecek und Julie Welker bewässert. Mit ihrem Projekt, das die Schülerinnen wegen seines futuristischen Aussehens sicher auch bei sich zu Hause aufstellen würden, haben sie eine ebenfalls besonders platzsparende Möglichkeit entwickelt, einen Garten zu bepflanzen: Verbunden durch einen Bewässerungsdocht hängen neun recycelte Plastikflaschen in drei Reihen an Stativen befestigt übereinander. In den Flaschen wachsen Grünlilien, denn: "Die sind besonders unempfindlich im Wachstum und haben luftfilternde Eigenschaften", erklärt Expertin Carla – ebenso wichtig für die Luft im Mars-Iglu wie für die im heimischen Klassenraum in der Elisabethenschule.
Versuch und Irrtum führen zum Ziel
Welche Pflanzen am besten in dem mobilen Gewächshaus angepflanzt werden sollten, um den Nährstoffhaushalt des Menschen zu decken, haben Luzie Niebuhr und Josephine Popp untersucht: "Mit einer Kombination aus Brokkoli, Linsen, Buschbohnen, Grünkohl und Erdnüssen bauen wir in unserem Beet Pflanzen an, die essenzielle Nährstoffe enthalten, ohne sich gegenseitig Platz oder Wasser zu rauben." Mithilfe eines mobilen Solarpanels und eines Zeitschaltakkus haben auch die beiden Junior-Ingenieurinnen einen Mechanismus entworfen, über den die Pflanzen regelmäßig ohne weiteres Zutun gegossen werden. Geht das Gewächshaus auf Marsmission, kommt etwas anderes als eine vegane Ernährung nicht infrage, betont Josephine mit ernstem Blick: "Müssen die Pflanzen zuerst durch den Verdauungstrakt eines Huhns oder einer Kuh, und der Mensch nimmt die Nährstoffe auf, indem er deren Eier oder Fleisch isst, kostet das viel zu viele Ressourcen." Stimmt – nicht nur in Bezug auf das Leben auf dem Mars.
Um die Astronauten-Diät noch weiter anzureichern, untersuchen Marc Diegel, Malu Kallendrusch, Maria-Naoumi Kappler und Johanna Moos, wie Nahrung auf dem Mars durch ein autarkes Ökosystem generiert werden kann: In einem Tank haben sie Spirulina-Algen und Wasserschnecken gesetzt, deren Ausscheidungen den Dünger für die Algen produzieren. Nach einiger Zeit können die Algen abgeerntet, getrocknet und daraus nährstoffreiche Spirulina-Algen-Riegel hergestellt werden. "Die Astronauten auf der ISS können inzwischen aus hunderten verschiedenen Gerichten wählen. Aber die Vorräte gehen immer irgendwann zur Neige und müssen aufwendig von der Erde aus aufgefüllt werden. Unsere Algen vermehren sich von selbst," erklärt Marc Diegel euphorisch die Idee hinter dem Projekt. Er tritt übrigens in die Fußstapfen seines Bruders Christian Diegel, der 2016 an der Junior-Ingenieur-Akademie der Elisabethenschule teilgenommen hat.
Seit ein paar Wochen züchtet die Gruppe auch einen Kambucha-Pilz in einer essighaltigen Lösung. Mithilfe eines Skalpels zerteilt Johanna die oberste Schicht des glibberigen, bräunlichen Pilzes und grinst dabei, denn sie weiß, was gleich folgt: Dass auch er wirklich essbar ist, scheut sich die Betreuerin der Habitate-Gruppen Dr. Sabine Leiser nicht unter Beweis zu stellen – und steckt ihn sich kurzerhand in den Mund.
Technik, die ihrer Verantwortung nachkommt
Danach gefragt, ob sie sich später einmal vorstellen können, als Ingenieurinnen und Ingenieure zu arbeiten, nicken alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der JIA – und ambitionierte Projekte haben sie auch schon vor Augen: Jonah interessiert sich für Ozean-Aufräumaktionen: "Ich würde gerne Methoden entwickeln, diese Aktionen noch umweltverträglicher zu machen, damit Umwelt und Tiere durch die Müllentsorgung weniger belastet werden." Caroline beschäftigen Solarzellen: "Sie sind zwar umweltfreundlicher als fossile Energiegewinnungsmethoden, aber sie könnten noch viel effizienter und platzsparender arbeiten." Und Paul will auch mit seiner Zukunftsidee in den Weltraum – allerdings um dort aufzuräumen. Denn auch dort habe der Mensch schon einiges an "Satellitenschrott" hinterlassen, erzählt der Schüler nachdenklich.
"Technik und Verantwortung werden in der Junior-Ingenieur-Akademie von Anfang an großgeschrieben", erklärt Tobias König, Bereichsleiter Wissenschaft und Technik der Stiftung Polytechnische Gesellschaft. "Es geht immer darum, Ideen zu entwickeln, die Probleme des Lebens im Hier und Jetzt lösen können und das Potenzial haben, unsere Zukunft zu verbessern." Liegt die in den Händen der Junior-Ingenieurinnen und -Ingenieure, stehen unsere Karten dafür nicht schlecht.