Portrait

Was macht eigentlich...
Cora Sitte?

11. April 2022 von Elisabeth Brachmann

Foto: Enrico Sauda
Foto: Enrico Sauda

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Vom Deutschsommer über Deutschland schreibt! bis zu den Nachhaltigkeitspraktikern: Cora Sitte ist ein strahlendes Beispiel für eine polytechnische Karriere. Im Gespräch erzählt sie uns, warum sie seit 2009 immer wieder zu den Projekten der Stiftung zurückkehrt und wie sie ihr Fernweh mit ihrem Bestreben nach mehr Nachhaltigkeit vereinbart. Ein Porträt.

Egal, ob sie gerade vor einer Grundschulklasse steht, sie ihr persönliches Nachhaltigkeitsprojekt vorstellt oder ihr Gesicht auf einem Computerbildschirm erscheint: Cora Sitte strahlt. Und das, obwohl die Corona-Pandemie auch in ihrem Leben den großen Pauseknopf gedrückt hat. Anfang 2020 stand die Lehrerin nicht nur in den Startlöchern ihres Sabbatjahres, sondern auch bereits mitten in einem Yoga-Lehrgang auf costa-ricanischem Boden – der ersten Station einer geplanten Weltreise, auf die sie lange gewartet und gespart hatte. "Rückblickend ist das gar nicht mehr so schlimm," schmunzelt sie heute. "Statt der Weltreise haben wir uns eine Hündin angeschafft, sie will ich mir jetzt auch nicht mehr wegdenken."

Hundedame Ayla, die neben der blonden Haarfarbe auch das aufgeweckte Temperament mit ihrem Frauchen teilt, ist die Hauptdarstellerin in Coras Nachhaltigkeitstipp, den sie im Lockdown für den Instagram-Kanal der Stiftung gedreht hat. Dort zeigt sie, wie sie aus gleichen Teilen Roggenmehl und Leitungswasser ein Shampoo anrührt, das sich nicht nur zur Reinigung von Hunde- und Menschenhaut sowie Fell und Haar eignet. Es ist auch umweltfreundlicher als herkömmliche Kosmetikprodukte.

Damit sah sich Cora Sitte nämlich in der Vorbereitung ihrer Weltreise konfrontiert: In der Drogerie fand sie kaum Produkte, die auf ihrem Yoga-Lehrgang im costa-ricanischen Dschungel erlaubt waren. Die Suche nach Produkten, welche die Umwelt vor Ort schützen, warf für sie immer mehr Fragen auf: Was der Umwelt in Costa Rica schadet, kann das gut für die Umwelt in Deutschland sein? Und braucht man eigentlich all diese Produkte, die zumeist in Plastik verpackt sind?

Herzenssache Nachhaltigkeit

"Genau im richtigen Moment", sagt Sitte, stieß sie also auf die Nachhaltigkeitspraktiker. 2020 sollte eine Gruppe Gleichgesinnter erstmals gemeinsam testen, wie viel nachhaltiger sie ihren Alltag gestalten können, wenn sie ohne viel Vorbereitung sofort damit anfangen. "Am meisten hat mich schockiert, dass man über die Nahrung und das Trinkwasser pro Woche fünf Gramm Mikroplastik zu sich nimmt – das ist so viel wie eine Kreditkarte", sagt sie besorgt.

Aber sich der Ohnmacht hingeben, ist nicht ihre Art. Neben der Umstellung ihrer Kosmetikroutine hat Cora Sitte eine Vielzahl weiterer Impulse aus dem Projekt mitgenommen, die sie inzwischen auch mit ihrem Umfeld teilt: In ihrem Haushalt gibt es jetzt nur noch selbstgemachten Haushaltsreiniger, der Balkon wird bepflanzt und das Mailpostfach wird regelmäßig geleert, um Server-Ressourcen und somit die Energie der Speicherung zu sparen. "Die Nachhaltigkeitspraktiker sind auf dem richtigen Weg", sagt sie rückblickend. "Am schönsten war, dass wir so viele Ideen zusammengetragen haben, die wirklich einen Unterschied machen, wenn viele Menschen sie umsetzen."

»Wenn man vor allem Angst hat, erlebt man nichts«

Die Naturverbundenheit der heutigen Wahl-Frankfurterin kommt nicht von ungefähr, denn aufgewachsen ist sie im beschaulichen Groß-Umstadt in Südhessen. "Wald und Garten sind viel selbstverständlicher, wenn man auf dem Land lebt. Im Vergleich haben Kinder in der Stadt sehr wenig Platz, Bäume klettern ist oft etwas Besonderes," erzählt sie aus ihrer Erfahrung als Grundschullehrerin.

Als Kind, erinnert sich Sitte, sei sie einmal mit ihren Eltern in einem Supermarkt in Frankreich gewesen: "Dort gab es ganz andere Kaugummis, das hat mich fasziniert. Danach wollte ich immer mehr sehen." Inzwischen steckt auf ihrem persönlichen Globus auf jedem Kontinent in mehreren Ländern ein Fähnchen. "Außer Australien" sagt sie lächelnd, und die Erinnerung an vergangene Abenteuer glitzert beim Aufzählen in ihren Augen. "Das Schönste ist, wenn etwas Unerwartetes passiert. Wenn man vor allem Angst hat, erlebt man nichts." Im Widerspruch zu ihren Nachhaltigkeitszielen steht das Reisen für sie nicht: "Langstreckenflüge belasten die Umwelt. Deshalb ist es mir wichtig, meinen Alltag umzustellen und an anderen Stellen zu sparen. Ich habe die Zahl meiner Reisen auch eingeschränkt und beim Buchen achte ich jetzt stärker auf Direktflüge. Darüber habe ich mir früher keine Gedanken gemacht." Ihre Ausbildung zur Yogalehrerin hat sie in Sachen Selbstgenügsamkeit stark beeinflusst: "Ich finde, man muss nicht perfekt sein. Was man wirklich tun möchte, sollte man tun – es dann aber auch ohne schlechtes Gewissen genießen."

Verantwortung über Generationen hinweg

Grundschullehrerin war nicht Cora Sittes Traumberuf: "Ich wollte Innenarchitektin werden, das ist an der Portfolio-Mappe gescheitert. Ins Lehramt bin ich dann so reingerutscht." Mal wieder was gewagt. Und es hat sich gelohnt. Sie blieb dabei. Auch Autorin stand einmal ganz oben auf der Liste. Den Wunsch, ein Kinderbuch zu schreiben, hegt sie noch immer. Darin will sie die großen Themen in ihrem Leben vereinen: "In dem Buch sollen Kinder von zu Hause aus auf Weltreise gehen, um zu sehen, wie Menschen in anderen Ländern und Ökosystemen leben."

Dieses Sendungsbewusstsein lässt sie heute auch in ihren Beruf einfließen: "Als Lehrerin möchte ich nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Werte wie Zusammenhalt, der über Generationen hinausgeht. Wir müssen an unsere Zukunft denken und die unserer Kinder, denn unsere Ressourcen sind begrenzt."

»Als Lehrerin möchte ich nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Werte wie Zusammen­halt, der über Genera­tionen hinausgeht. Wir müssen an unsere Zu­kunft denken und die unserer Kinder, denn unsere Ressour­cen sind begrenzt.«

Mit ihrem Engagement bei der Stiftung ist Cora Sitte sozusagen Wiederholungstäterin: Schon 2009, damals war die Stiftung erst vier Jahre alt, war sie Pädagogin im Deutschsommer. Das Programm, in dem Drittklässlerinnen und Drittklässler im Wechsel zwischen Sprach- und Theaterunterricht ganz spielerisch ihre Deutschkenntnisse verbessern, gab es schon damals. Wie im Deutschsommer sollte Bildung insgesamt funktionieren, findet Sitte: "Man merkt gar nicht, dass man etwas lernt. Bildung muss nicht mit Anstrengung verknüpft sein. Wenn man Stärken und Interessen fördert, dann ist alles einfach." Für sie als Deutschlehrerin spielt dabei Sprache eine große Rolle: "Die deutsche Sprache ist für mich ein toller Weg, die Gefühle auszudrücken. Je besser man eine Sprache kann, umso genauer kann man kommunizieren, was man möchte und wie man fühlt."

Nach zehn Jahren kehrte sie dann zurück in die Stiftung: als Pädagogin im Deutschsommer, im Anschlussprojekt Endspurt, im Diesterweg-Stipendium und für Deutschland schreibt!. Warum? "Weil die Projekte der Stiftung wirken", sagt sie. "Sie vermitteln Spaß am Lernen und zeigen Perspektiven auf, auch für die innerliche Entwicklung. Damit ändern die Programme wirklich etwas für die Kinder und verschönern ihre Zukunft."

Cora Sitte strahlt. Und sie strahlt aus. Auf ihre Schülerinnen und Schüler, auf ihr Umfeld und auf die Stiftungsfamilie. Wir freuen uns, dass sie dazugehört.