Festrede von Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich anlässlich des 30. Jubiläums der Initiative Frankfurter Stiftungen beim Empfang der Stiftungen am 13. Juli im Römer.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Stiftungskolleginnen und -kollegen,
werte Freunde und Verfechter einer starken Zivilgesellschaft,
es ist mir eine Freude und Ehre zugleich, heute hier zur Würdigung der Stiftungen der Stadt Frankfurt am Main sprechen zu dürfen. Hier im Kaisersaal des Römers, dem Herzen der – da sind wir uns sicher einig – eigentlichen Stiftungshauptstadt Deutschlands.
Wir feiern heute die lebendige Frankfurter Stiftungslandschaft und dabei auch ein Jubiläum, nämlich das der vor genau 30 Jahren gegründeten Initiative Frankfurter Stiftungen, kurz der IFS.
Ich möchte die Gelegenheit sehr dankbar nutzen, um mit Ihnen einen Blick in die Zukunft zu werfen, denn: wie Sie alle wissen, sind Stiftungen für die Ewigkeit konzipiert und so können wir wohl davon ausgehen, dass es heute nicht das letzte Jubiläum ist, was wir gemeinsam an diesem ehrwürdigen Ort begehen. Damit wir uns als Frankfurter Stiftungslandschaft darauf schon gut einstellen und vorbereiten können, möchte ich die Gedanken darum kreisen lassen, für was man uns Stiftungen in Zukunft würdigen sollte.
Prof. Dr. Hedwig Richter, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München, beendete ihren am 21. Juni in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen Artikel „Der falsche Weimar-Reflex“ mit folgenden Satz: „Statt im Heizungskeller über Weimar und die Fragilität der deutschen Seele zu weinen, sollten die Menschen lieber aufs Dach klettern und Solarpaneele installieren.“ Recht hat sie! Aber auf dem Weg hoch auf das Dach, so meine ich, ist noch einiges zu tun. Und genau das, wenn ich den Bezug herstellen darf, hat mit uns als Stiftungen sehr viel zu tun.
Die Zeiten haben sich geändert, wie Zeiten sich nun mal stets ändern. Das war immer schon so und wird auch in Zukunft so sein. Gleich ist auch, unabhängig von den Zeiten, das Bedürfnis der Menschen, für diesen Wandel fit gemacht zu werden. Zumindest – ja – im Wandel gesehen und mitgenommen zu werden. Je schneller und komplexer, und gleichsam unübersichtlicher eine Gesellschaft sich verändert, desto größer ist das Bedürfnis nach Sicherheit, nach festem Boden unter den Füßen. Um im Bild zu bleiben: Wie auf das Dach klettern, wenn die Leiter wackelt? Und woher soll man überhaupt wissen, wie man Solarpanelle auf dem zumeist schiefen Dach befestigt? Und sollte man das geklärt haben, dann steht doch in Deutschland immer die Frage im Raum, ob man das denn einfach so darf, also auf das eigene Dach klettern und Paneele montieren. Die Fragen nach dem richtigen ökonomischen Zeitpunkt und jene nach der richtigen Qualität der Paneele sind damit auch noch nicht beantwortet. Will sagen: die meisten Menschen wissen theoretisch, gerade angesichts der Klima- und damit einhergehenden dramatischen Lebensgrundlagenkrise, was zu tun ist – und tun es trotzdem nicht. Das gilt, gerade wenn man nach Berlin schaut, auch für die Politik. Aber eines nach dem anderen.
Zunächst: Für was sollte man uns Stiftungen in der Zukunft würdigen? Was sollte genannt werden, wenn wir uns hier wieder in 10 oder 20 Jahren träfen? Was kommt da jetzt auf uns zu? Was haben wir aktuell und in Zukunft zu leisten, angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Gegebenheiten? Was dürfen wir, was sollten, was müssen wir noch mehr wagen, um die Menschen zu kompetenten, selbstbestimmten, mutigen, auf das Gegenüber und die (soziale) Umwelt bezogenen Akteuren werden zu lassen? Und an welchen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Lebens müssen wir ansetzen, damit die (selbstverantwortete) Freiheit des Menschen, der demokratische Grundkonsens unserer Verfasstheit bestehen bleibt und gestärkt wird?
Stiftungen selbst sind „materialisierter“ Ausdruck einer demokratischen Freiheit. Sie stellen als Institutionen durch die rechtliche Verfasstheit der Gesellschaft freiheitliche Gestaltungsräume dar. Sie sind jenseits der unterschiedlichen gesellschaftlichen Subsysteme positioniert. Sie gehören weder zum wirtschaftlichen, noch zum politischen System. Sie stehen für sich. Sie sind zivilgesellschaftliche Akteure, die eigenverantwortlich und mit Bezug auf die Gesellschaft agieren. Systemtheoretisch gesprochen könnte man Stiftungen als Beobachtungssysteme zweiter Ordnung bezeichnen. Sie betrachten sehr genau, wie die unterschiedlichen Akteure, Institutionen und Organisationen unserer Gesellschaft, also die anderen, agieren. Sie schauen sich (Folge-)Wirkungen aus deren Entscheidungen und Handlungen an – und reagieren dann mit ihren Förderaktivitäten, Programmen und Projekten.
Oft wird beschrieben, dass Stiftungen dort ansetzen, wo der Staat nicht hinkommt oder nicht ausreichend Leistungen zur Verfügung stellen kann. Stiftungen sind aus dieser Perspektive im besten Sinne des Wortes Lückenfüller. Zumindest dafür, also für die Rolle des wichtigen Lückenfüllers, dürften wir auch in Zukunft eine Würdigung erfahren. Aber Stiftungen können noch viel mehr – auch und gerade mit Blick auf die Zukunft.
Da Stiftungen aus ihrem Stiftungszweck heraus die Gesellschaft oder zumindest Ausschnitte aus ihr beobachten, können Sie auch neue und innovative Aktivitäten fördern, können aus ihrer Freiheit heraus selbst Ideen entwickeln, um die Gesellschaft weiterzuentwickeln. Dabei sind sie ausschließlich ihrem, hoffentlich relativ breit formulierten, selbstgesetzten Stiftungszweck verpflichtet. Und das ist gut so. Da wir in einer Organisationsgesellschaft leben – alles im Leben ist durch Organisationen organisiert, seien es die Schule, Betriebe, Vereine, Ministerien, politische Parteien etc. – ist es für Stiftungen wichtig, ihre innere Freiheit, ihre Agilität zu bewahren. So müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht, wie viele andere Organisation auch, zu stark reglementieren, indem wir unnötige bürokratische Strukturen aufbauen, die unserem gestalterischen Freiheitsspielraum begrenzen. Die Verantwortung für Stiftungen in Zukunft muss also lauten, dass sie alles dafür tun, dass sie als Organisationen das Atmen nicht verlernen.
Stiftungen tragen diese Verantwortung dabei nicht nur für sich, sondern sie tragen diese Verantwortung vor allem gegenüber einer Gesellschaft, die ihnen diesen freiheitlichen Rahmen zugestanden hat. Da Stiftungen summiert betrachtet über ein großes finanzielles Vermögen verfügen, welches sie gemeinwohlorientiert einsetzen, stellen sie eine starke, aktive Kraft gesellschaftlichen Handelns dar. Die Verpflichtung dieses Kapitals für die Zukunft lautet, vor allem auch dann agil zu bleiben, wenn drum herum eine bleierne Lähmung zahlreicher, ineinander verkeilter Organisationen, zudem eben auch die Politik gehört, zu beobachten ist.
Nimmt man das ernst, tut sich also bereits ein weiteres Handlungsfeld auf, für welches man uns in Zukunft würdigen sollte: dass wir die (eigene und innere) Freiheit verteidigen und dass wir es sind, die dadurch neue und innovative Ideen in die Gesellschaft einspielen. Stiftungen sind (vielleicht) einer der letzten wirkmächtigen Refugien gesellschaftlicher Freiheit. Lange Zeit waren es sicher Unternehmerinnen und Unternehmer, die dieses Feld bespielt haben, jedoch haben diese mit derart viel Bürokratie zu kämpfen, dass diese Quelle, wenn auch nicht zu versiegen, so doch stark eingeschränkt scheint. Dringender denn je benötigen wir also die Wiedereinführung der Freiheit, des freiheitlichen Denkens und vor allem Handelns in unsere Gesellschaft.
Die Wiedereinführung der Freiheit funktioniert über das Anstiften. Wir als Stiftungen bilden den gesellschaftlichen Raum des Anstiftens. Ein Raum, der das Bewusstsein schärft, dass Handeln Sinn macht, Lust produziert und wiederum neuen Sinn herstellt. Wir ermutigen und unterstützen zum Handeln, ja, wir rufen mit unseren Aktivitäten zum Handeln auf, so dass nach der „Letzten Generation“ doch wieder eine nächste, eine nachfolgende Generation Realität werden kann – und wird.
Wenn man nun über das Ermutigen zum Handeln spricht, hat man meistens Individuen vor Augen. Jedoch muss es heutzutage um mehr gehen: Auf der einen Seite müssen wir nach wie vor Menschen fördern und fordern, freiheitlich aktiv zu werden, Ideen umzusetzen, auf der anderen Seite jedoch – und das könnte und sollte in Zukunft noch stärker ausgeprägt werden – müssen wir Organisationen dabei behilflich sein, sich fit für die Zukunft zu machen. Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen darin gestärkt werden, zukunftsfähig, d.h. freiheitlich agieren zu können. Wenn ich eingangs davon gesprochen habe, dass wir Menschen befähigen müssen, auf das Dach zu steigen, so braucht es diese Befähigung gleichsam für Organisationen. Auch sie müssen befähigt werden, aus den Kellern ihrer eigenen Verkrustungen auszusteigen, um zukunftsfähig und frei agieren zu können.
Konkret beobachten wir im Stiftungswesen, dass Abhängigkeiten entstanden sind, dass Organisationen oftmals ohne die unterstützende Finanzierung von Stiftungen gar nicht mehr oder zumindest nur sehr schwer überleben können. Damit werden wir in strukturelle Abhängigkeiten hineingezogen, werden wir an festgefahren Strukturen gebunden und verlieren selbst die Freiheit, agil zu bleiben. Der Gewissenskonflikt ist vorprogrammiert, sind diese Organisationen, die wir fördern, doch in vielen Fällen ebenfalls Organisationen, die zum dringend benötigten Zusammenhalt der Gesellschaft beitragen, also ebenfalls einen konkreten Beitrag zur freiheitlich demokratischen Verfasstheit unserer Gesellschaft leisten.
Ohne uns selbst die Freiheit einer diversen Förderpraxis zu nehmen, könnte es Sinn ergeben, in Zukunft vermehrt in die Organisationsentwicklung unserer Geförderten zu investieren, so dass sie selbstbestimmt, erfolgreich und ein Stück weit ungebundener bleiben können. Vielleicht, ja wahrscheinlich, müssen wir mehr zu Organisationsberatern, zu Transformationsbegleitern unserer Geförderten werden.
Damit sind wir bei vielleicht dem zentralen Wort meines heutigen Beitrages. Transformationsbegleiter. Gewürdigt werden könnten wir Stiftungen in Zukunft also für unseren vermehrten Einsatz als Begleiter von Menschen, Institutionen und Organisationen im Kontext des gesellschaftlichen Wandels. Da der Ressourcen-Spielraum einzelner Stiftungen aber immer begrenzt ist, kann diese Rolle des Begleiters von uns als Stiftungen nur erfolgreich ausgefüllt werden, wenn wir Allianzen bilden, Kooperationen schmieden, wenn wir unsere Netzwerke öffnen und anderen zur Verfügung stellen. Hier liegt das Potential für Unterstützung und Veränderung aller Art.
Wenn Menschen – und damit ihre Ressourcen, Fähigkeiten und Fertigkeiten – zusammengebracht werden, entstehen Ideen, neues Wissen, neue Perspektiven, ja Lösungen. Die kluge Kombination mehrerer Organisationen ist unsere Aufgabe für die Zukunft. Und – auch das darf nicht vergessen und unterschätzt werden – hier ist dann auch Einfluss konzentriert, wenn man Gesellschaft verändern will. In Allianzen kann eine Stimme potenziert und stark werden, über die man, z.B. von politischer Seite, nicht einfach hinweggehen kann. Netzwerke zu öffnen, diese an einigen Stellen überhaupt erst ins Leben zu rufen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen und dann zu aktivieren, das ist nichts anderes, als die Zivilgesellschaft zu stärken. Die Initiative Frankfurter Stiftungen ist sicherlich ein gutes Beispiel dafür, wie wir in Zukunft noch mehr agieren wollen. Aber auch der Bundesverband deutscher Stiftungen oder beispielsweise das bundesweite Netzwerk Stiftungen für Bildung, in dem über 1.000 zivilgesellschaftliche Akteure aktiv sind, und welches am 8. November dieses Jahres die Gründungsveranstaltung des Landesnetzwerk Hessen mit uns als Veranstalter in Offenbach durchführen wird.
In der wissenschaftlichen Evaluation des Diesterweg-Stipendiums wurde die Stiftung Polytechnische Gesellschaft von einer Schulpsychologin einmal als „Potentialentfaltungsgemeinschaft“ bezeichnet – auch auf uns als Netzwerk der Stiftungen dürfte dieser Begriff perfekt passen. Ich würde gerne einen weiteren Begriff dazu stellen: Wenn wir uns umschauen und sehen, in was für ein zivilgesellschaftliches Netzwerk wir eingebunden sind, welches wir gleichsam selbst darstellen, dann könnten wir auch von einer lebendigen „Bibliothek“ von unzähligen Projekterfahrungen und Zukunftsideen sprechen. Eine solche Bibliothek ist auch zugänglich für die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in unserer Stadt, wenn es darum geht, Frankfurt zukunftsfähig aufzustellen. Unser Netzwerk an Stiftungen und Projektpartnern ist nichts anderes, als eine handlungsorientierte Zukunftsbibliothek. Wenn es also darum geht, dass wir unsere, aber vor allem die Zukunft unserer Stadt und ihrer Region im Sinne eines zivilgesellschaftlichen Engagements freiheitlich gestalten wollen, dann müssen wir uns vergegenwärtigen, dass wir über ein solches Potential verfügen. Die politischen Entscheidungsträger sind auf das herzlichste eingeladen, hier zuzugreifen. Danke sagen, wenn wir zivilgesellschaftliche Netzwerke nicht nur aufbauen, sondern einen Zugang dazu ermöglichen, dass wäre sicher auch eine schöne Würdigung für uns.
Wie wichtig und notwendig dieser freiheitlich gestaltende Aspekt in unserer Gesellschaft ist, sieht man angesichts der aktuellen Situation, in der sich u.a. die Politik und unsere Demokratie befinden. Zum einen behindern Strukturverkrustungen, bürokratische und rechtliche Hürden notwendiges und schnelles Handeln. Beim diesjährigen Neujahrsempfang der IHK Frankfurt habe ich mich dazu umfänglich geäußert. Zum anderen, so exemplarisch der Blick nach Berlin, wird ersichtlich, dass Politik sich oftmals nicht an offensichtliche Notwendigkeiten orientiert, sondern sich stattdessen in parteipolitischen Spielen verfängt – sie reagiert also auf politische Strategien, Entscheidungen und Kommunikationen vermeidlicher Gegner, ohne den Fokus auf ein gemeinsames Krisenmanagement zu richten. Es scheint nur mehr darum zu gehen, dem anderen einen politischen Erfolg nicht zu gönnen. Es wirkt, als ob es erste Priorität sei, dass eigene Klientel zu bedienen, von dem man meint, zu wissen, was es will. Dies macht man nicht, um aktuelle Probleme zu lösen, sondern primär um sicherzustellen, bei der nächsten Wahl nicht schlechter abzuschneiden. Die „German Angst“ hat das Politiksystem im Griff. Bei dieser Handlungslogik fallen die Gesellschaft und ihre Anliegen hinten runter. Das können wir uns nicht mehr leisten. So und in diesem Tempo sind die Krisen, in denen wir stecken und jene, die noch anstehen, nicht zu lösen. Ein solches Agieren schafft keine Zuversicht, keine positive Aufbruchsenergie, vor allem auch keine Hoffnung, dass durch kluge und eindeutige Entscheidungen die Transformation aktiv vorangetrieben und vor allem zu bewältigen ist.
Was wir als Stiftungen zu sehen bekommen ist eindeutig: Egal, wie wir es gesamtgesellschaftlich drehen und wenden, die Ressourcen-Tischdecke reicht nicht mehr aus, um den gesamten Tisch mit dieser einen Decke abzudecken. Überall fehlt etwas, egal, wie wir versuchen, das Stück Stoff zu platzieren. Decken wir die eine Seite ab, so ist die andere Seite des Tisches nackt. Wir als Stiftungen müssen also andauernd Enttäuschungsmanagement betreiben: Geförderten mitteilen, dass man sie nicht mehr fördert, hoffende Kandidatinnen und Kandidaten einer Unterstützung mitteilen, dass uns etwaige Projektskizzen nicht überzeugt haben, oder schlicht, dass unsere Satzung ein bestimmtes Förderanliegen nicht einschließt. Wir treffen Entscheidungen. Immer wieder. Täglich. Und versuchen dabei die uns zur Verfügung stehenden Mittel bestmöglich und gemeinwohlorientiert einzusetzen. Bei all dem sind wir aber klar. Wir fördern hier, dort aber nicht. Und wir erklären unsere Entscheidungen und sind auch darin klar. Das gestattet, aber erwartet der uns (selbst) gesetzte Rahmen auch. Ich bin überzeugt davon, dass es diese Klarheit auch gesamtgesellschaftlich braucht. In unserem Fall sind es die potentiell Geförderten und auf das Land und die Politik bezogen ist es die Bevölkerung, die eine solche Klarheit goutieren, auch wenn sie manchmal nicht schmeckt. Jetzt sind wir als Stiftungen weit davon entfernt, der Politik und dem politischen System sagen oder gar vorschreiben zu können, wie es zu entscheiden und zu handeln hätte. Aber wir können als zivilgesellschaftliche Akteure zeigen, dass klare Entscheidungen machbar und auch akzeptabel zu kommunizieren sind. Ich würde mich also sehr freuen, wenn man uns auch in vielen Jahren dafür würdigen würde, stets klar in unseren Aussagen und Entscheidungen gewesen zu sein – und so als zivilgesellschaftliches Vorbild zu dienen.
Mit dieser Klarheit im Rücken können wir als Stiftungen als gute Beispiele dafür werben, wie wichtig bürgerschaftliches Engagement ist. Wir können zu noch mehr zivilgesellschaftlichem Engagement anstiften – und genau das braucht es, wollen wir die Tischdecke doch ein wenig vergrößern. Keine Politik, keine Wirtschaft, kein anderes gesellschaftliches Teilsystem wird es angesichts der Wohlstandserwartungen und -versprechen schaffen, alles abdecken zu können. Jedoch: Die Tischdecke zu vergrößern und andere in diesen Prozess einzubinden, diesen mitzugestalten, dass dürften wir schaffen. Ein Patchwork, zu dem jede und jeder einen wichtigen Teil beiträgt. Wenn also die Politik uns aufsucht, um aus der Kraft der Zivilgesellschaft heraus die Gesellschaft zu gestalten: Wir sind da und unsere Türen stehen offen. Vor allem sind sie offen, um der Politik unsere Beobachtungen von Gesellschaft näherzubringen.
Wir als Stiftungen haben mindestens ein Ohr an und in der Gesellschaft, wir bekommen mit, wo der Schuh drückt, aber eben auch, wo probate Mittel, also innovative Ideen und Projekte entstanden sind, die zur kreativen Linderung von gesellschaftlichen Problemen beitragen. Politik und Stiftungen, das könnte eine kluge Allianz zur aktiven Gestaltung unserer Gesellschaft sein, in der das Machen im Mittelpunkt steht. In ein paar Jahren auch hierzu gewürdigt zu werden, wäre fein.
Schließlich: Stiftungen können zeigen, dass es zahlreiche „Bilder des Gelingens“, wie wir es in der Stiftung Polytechnische Gesellschaft nennen, gibt. Das betrifft Projekte des sozialen Miteinanders genauso wie Bildungsprojekte, die direkt in die Zukunft weisen, aber auch unternehmerische Technologieerfindungen und - projekte, die die Welt besser machen. Jedoch drohen sie oft im Alltagsrauschen unserer komplexen Gesellschaft unterzugehen. Wie vielen Menschen graut es am Abend vor den Hiobsbotschaften der Tagesschau, sodass sie diese gar nicht mehr anschauen? Die echten Hoffnungsschimmer jenseits der Rhetorik sind, wenn man sie nicht explizit sucht, schwer zu finden. Unsere Gesellschaft hat sich aus der Logik der Massenmedien und der Algorithmen der Sozialen Netzwerke darauf eingependelt, das Negative besonders zu akzentuieren. Für eine aufgeklärte, mutige, der Zukunft zugewandte Bevölkerung braucht es aber realistische Anhaltspunkte, dass diese Welt gut, bewusst und in unserem Sinne zu gestalten ist. Diese Welt geschieht uns nicht nur, wir sind nicht nur der Spielball, der alles bis ans unweigerliche Ende ertragen muss, nein, wir sind dazu im Stande, unsere Welt mitzugestalten. Das passiert täglich. Nur: Wo sind diese Bilder gelungener, hoffnungsvoller Gestaltung in unserer Gesellschaft zu sehen? Wir Stiftungen, als Teil der Zivilgesellschaft, sind aufgerufen, dieser Gesellschaft hoffnungsstiftende Bilder erfolgreichen Handelns zur Verfügung zu stellen. Wir Stiftungen sind in vielen Fällen mit unseren Projekten und Förderungen „Game-Changer“ und Mutmacher – für Menschen wie auch für Organisationen. Das muss gezeigt werden; unsere Geschichten zeigen, dass Hoffnung und Gelingen Realität sind. Vor allem aber, dass wir über das Potential und die Ideen verfügen, um eine gute Gesellschaft zu bauen.
Wer auf ein Dach steigen will, meine sehr geehrten Damen und Herren, und sogar Solarpaneele darauf montieren will, der muss zumindest schwindelfrei sein. Mut, Zuversicht und eine Zukunftsvision sind wichtige Elemente und Antreiber. Wer unser gesellschaftliches Dach, die Demokratie und das Miteinander, ja den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einer zugegebenen schwierigen, komplizierten und komplexen Phase gesellschaftlicher Transformation gestalten will, darf nicht im Keller sitzen bleiben und den Rattenfängern lauschen.
Visionen, konkretes Handeln und Erfolge in diesem Handeln waren am Ende der Geschichte immer reizvoller, als dem Untergang entgegenzufiebern. Würdigen Sie uns in Zukunft, wenn wir es mit allen anderen Akteuren der Zivilgesellschaft geschafft haben, den Untergangsszenarien konkrete Bilder, Geschichten und Gesichter eines gelungenen Aufbruchs entgegenzuhalten. Diesem Charme, wenn mal einmal mit Ihnen in Berührung gekommen ist, kann man sich kaum entziehen.
Lassen Sie uns als Stiftungen, Sie, liebe Stadt Frankfurt am Main, in Zukunft dafür würdigen, dass wir gemeinsam von nun an den Erfolgen zivilgesellschaftlichen Handelns eine mutmachende, sichtbare Bühne gegeben haben. Frankfurt war und ist die Stadt der Freiheit. Unsere Bürgerinnen und Bürger sollten die Chance erhalten, zu sehen, wie schön Zukunft sein kann, wenn man auf dem (Solar-) Dach – oder hier in Frankfurt – auf einem Hochhaus sitzt und von oben auf diese wunderbare Welt blickt.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich
Vorstandsvorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft
Mitglied des Vorstandes der Initiative Frankfurter Stiftungen qqqqq