Amina El Mousaid (18) nahm am Programm Junge Paulskirche der Stiftung Polytechnische Gesellschaft teil, außerdem war sie Praktikantin beim Deutschsommer, vor allem aber Stadtteil-Botschafterin. Dabei setzte sie ein inklusives Projekt um, das ihr schließlich sogar eine besondere Auszeichnung einbrachte.
Amina, erst einmal herzlichen Glückwunsch: Du bist von der Frankfurter Stiftung Citoyen mit dem »Citoyenne 2022« gewürdigt worden. Eine besondere Auszeichnung für Dein bürgerschaftliches Engagement. Wie kam es dazu?
AMINA EL MOUSAID Der Ursprung des Ganzen ist die Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Alles resultiert aus meinem Stadtteil-Botschafter-Stipendium im Jahrgang 2020/21. Vor drei Jahren ist Silja Flach, die Projektleiterin für die Stadtteil-Botschafter, zu uns an die Wöhlerschule gekommen und hat dafür Werbung gemacht. Ich kannte das Projekt schon von ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschülern, die dort tolle Sachen gemacht haben.
Deshalb wolltest Du Dich ebenfalls dort engagieren?
Ja, auf dem Heimweg habe ich überlegt, was ich machen könnte. Dabei ist mir aufgefallen, dass es in der Nähe der Wöhlerschule noch andere Schulen gibt – zum Beispiel die Hermann-Herzog-Schule für Sehbehinderte, die damals noch am Dornbusch untergebracht war. Und ich habe mir gedacht, dass wir Schüler immer nur aneinander vorbeilaufen, dass uns nichts wirklich zusammenbringt. Das fand ich schade.
Aus diesem Grund hast Du Dein Projekt »Sport vereint« ins Leben gerufen, bei dem zwölf Kinder zwischen elf und 13 Jahren aus beiden Schulen miteinander Karate trainieren. Warum ausgerechnet Karate?
Ich mache seit sieben Jahren Karate und bin seit 2019 auch Jugendtrainerin bei uns im Verein. Karate hat mir beigebracht, Selbstvertrauen zu haben, meine Stärken kennenzulernen, mir Ziele zu setzen. Das wollte ich gerne weitergeben. Und ich wollte einen Begegnungsraum schaffen für Menschen unterschiedlicher Herkunft, für Menschen mit und ohne Behinderung. Außerdem ging es mir darum, Barrieren abzubauen.
Welche Barrieren?
Kurz vor dem Start der Stadtteil-Botschafter haben wir uns im Stiftungshaus getroffen und dann auch Interviews auf der Straße geführt, zu unseren Ideen. Dabei habe ich Passanten gefragt, ob sie Ängste haben, wenn sie Menschen mit körperlichen Behinderungen sehen. Einige haben geantwortet, dass sie schon gewisse Bedenken haben, weil sie das nicht kennen. Mich hat das in meiner Idee bestärkt: Ich will solche Berührungsängste abbauen, vor allem bei Kindern. Wenn sie ein Training erleben, bei dem es keine Rolle spielt, ob jemand behindert ist oder nicht, dann hat das ja auch Auswirkungen auf ihre spätere Entwicklung.
Wie funktioniert denn Karate, wenn Kinder mit Sehbehinderungen mitmachen?
Das Schöne bei unserem Training ist, dass die Handicaps dabei nicht im Vordergrund stehen. Wir haben ein gemeinsames Ziel, nämlich Karate zu trainieren – und genau darauf konzentrieren wir uns. Wir haben auch ein Mädchen dabei, das Autistin ist, und ein Mädchen, das eine leichte geistige Behinderung hat, aber das spielt höchstens eine Nebenrolle. Mir ist wichtig, dass die Kinder hier miteinander in Kontakt kommen und interagieren können. Und dafür sind sie auch total offen. Was für mich superschön ist: Einige Kinder kommen inzwischen mehr aus sich heraus, sind selbstbewusster. Der nächste große Schritt wird sein, dass mein Trainer und ich gemeinsam Gürtelprüfungen abnehmen wollen. Die Kinder sind schon ganz aufgeregt, das weckt auch den Ehrgeiz bei ihnen.
Durch Dein Stadtteil-Botschafter-Projekt bist Du außerdem an ein neues Amt gekommen.
Stimmt, ich bin jetzt auch Jugendsprecherin bei der Sportjugend Frankfurt.
Wie kam es dazu?
Bei »Sport vereint« ging es irgendwann um die Frage, wie wir die Kinder versichern. Das ist gerade bei Karate wichtig, da macht man ja auch Kumite, also Partnerübungen mit Angriffs- und Verteidigungstechniken. Meine Mentorin Svetlana, die mich sehr unterstützt hat, hat mir den Kontakt zur Sportjugend vermittelt. Dort meinten sie zunächst, dass sie uns nicht versichern können, weil es sich um ein privates Projekt handeln würde. Aber dann hieß es: »Wenn du Jugendsprecherin bei uns bist, könnte das doch funktionieren.« Ich habe mir gedacht, warum nicht – weil ich Interesse daran habe, mich für Jugendliche zu engagieren, Sportprojekte auf die Beine zu stellen und das Thema Inklusion zu verfolgen. Das war also eine Win-win-Situation (lacht).
Im nächsten Frühjahr stehen Deine Abiturprüfungen an. Wie schaffst Du es da, Dich nebenbei noch um Deine Ehrenämter zu kümmern?
Natürlich steht die Schule bei mir im Fokus. Aber Menschen zusammenzubringen, die sonst aneinander vorbeilaufen würden, das finde ich total schön. Karate ist eine Sportart, die ich selbst sehr gerne mache. Das dann weiterzugeben, das macht mich glücklich. Ich sehe das auch gar nicht als Arbeit an, sondern ich fände es schade, wenn es das nicht gäbe. Außerdem ist das ein guter Ausgleich zur Schule. Sport hilft einem, den Kopf wieder freizukriegen.
Und nach dem Abitur?
Ich würde gerne Medizin studieren, vielleicht auch Lehramt. Aber wenn es die Zeit erlaubt, möchte ich mich auf jeden Fall weiter ehrenamtlich engagieren. Man muss schließlich nicht für alles Geld kriegen, sondern man kann auch Dinge tun, weil sie einem Spaß machen. Und das Schöne dabei ist, dass es einem ein Gefühl von Gemeinsamkeit vermittelt. Dieser Ehrenamtsgeist verbindet einfach. Damit habe ich auch meine ältere Schwester ein bisschen angesteckt (lacht).
Warum?
Sie ist seit diesem Jahr auch Stadtteil-Botschafterin bei der Stiftung, mit einem Projekt zur Frauenförderung.
Du hast ebenfalls bei der Stiftung Polytechnische Gesellschaft weitergemacht. Etwa bei der Jungen Paulskirche, aber auch als Praktikantin beim Deutschsommer.
Ich sage immer: einmal drin, immer drin (lacht). Für die Junge Paulskirche hat mich meine Lehrerin aus dem Leistungskurs Politik und Wirtschaft angesprochen. Es geht um Politik, Debattieren, den Austausch mit anderen Schülern aus Frankfurt. Das finde ich eine tolle Sache, deshalb habe ich da gerne mitgemacht. Und beim Deutschsommer in diesem Jahr war eine Praktikantin abgesprungen. Wir hatten für die ersten drei Ferienwochen keinen Urlaub geplant, und ich weiß ja, dass die Stiftung immer schöne Sachen macht. Aus diesem Grund bin ich da gerne eingesprungen. Schließlich habe ich der Stiftung viel zu verdanken.
Inwiefern?
Durch sie habe ich mein Interesse an den Themen Sport und Inklusion entdeckt. Sie hat mir auch den Zugang zum Thema Politik und Debatten ermöglicht. Außerdem fördert sie die persönliche Entwicklung – ich merke, dass ich inzwischen super organisiert bin, was ich vorher nicht war (lacht). Auch das Auftreten vor mir unbekannten Menschen habe ich gelernt, ebenso Schulen anzusprechen, Interviews zu geben, beispielsweise für ZDF und KiKa, die über mein Projekt berichtet haben. Für mich war das ein großer Sprung. Das ist wirklich ein Geschenk.
Vielen Dank für das Gespräch.