Jazz und Improvisierte Musik in die Schule!

"Man kann nur spielen, was man auch singen kann"

14. Dezember 2023, von Jens-Ekkehard Bernerth. Fotos: AOF / Salar Baygan

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Trompeter Till Brönner ist 2023 der prominente Ehrengast der Jazz-Residenz, des ganz besonderen Bausteins des Programms "Jazz und Improvisierte Musik in die Schule. Jedes Jahr holt die Alte Oper einen Star der internationalen Jazz-Szene nach Frankfurt, im Rahmen eines Education-Projekts auch mit den Nachwuchsmusikerinnen und -musikern jammt und zum krönenden Abschluss ein Konzert gibt. Die erste Probe fand Ende November in der Musikschule Frankfurt statt.

Die Schneeflocken tanzen durch die eiskalte Frankfurter Luft. Der Weihnachtsmarkt auf dem Römerberg hat gerade seine Tore geöffnet, es riecht nach Glühwein und Baumkuchen. Karusselmusik und Weihnachtsklassiker zaubern eine heimelige Stimmung, Adventsatmosphäre liegt in der Luft. Ein paar Meter weiter hingegen, in der Musikschule Frankfurt, ist eine elektrisierende Spannung zu spüren. Denn die Jugend Jazz Bigband des Musikschule Frankfurt trifft gleich auf den wohl berühmtesten zeitgenössischen Trompeter Deutschlands: Till Brönner.

Pünktlich um halb vier Uhr betritt der 52-jährige Musiker unter Begleitung von JIMS-Leiter Gernot Dechert den Raum. Die Jugendlichen im Alter von 13 bis 19 Jahren bereiten ihm mit dem Stück "Stolen Moments" von Oliver Nelson einen standesgemäßen Empfang. Angeleitet von Dirigentin Johanna  und unter Beobachtung von Nina Hacker, der anderen Hälfte der JIMS-Projektleitung, gibt das dreizehnköpfige Ensemble alles. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass man mit einer internationalen Größe der Jazz-Szene musizieren darf.

Das ist eine Besonderheit von Jazz und Improvisierte Musik in die Schule!: Im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Jazz-Residenz der Alten Oper musizieren, jammen und improvisieren echte Größen der Jazz-Szene mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Programms. Waren es bislang der schwedische Posaunist Nils Landgren und der Pianist Michael Wollny, gibt sich dieses Mal Till Brönner die Ehre.

Nachdem er seine silberne Trompete ausgepackt hat, setzt sich Brönner mitten zwischen die Jugendlichen. "Guten Tag zusammen. Schön, dass ich hier sein darf," begrüßt er seine Mitmusizierenden und steigt gleich mit ins Stück ein. Die Trompete selbst ist ein besonderes Erbstück, wie Brönner erzählt. Er habe sie vom Berliner Trompeter Werner Windler vererbt bekommen, als er im Jahr 1991 dessen Stelle in der RIASBig Band übernahm. Seitdem spiele er sie sehr häufig, so Brönner. Wie schon zuvor probt das Ensemble "Stolen Moments". Doch bereits nach kurzer Zeit unterbricht Brönner. Er spürt die Aufregung im Raum, und erzählt, wie es ihm als Jugendlichem ging, als er bei der Schulband vor Angst keinen Ton rausbekam. "Da sagte der Leiter, ein echter Rheinländer, zu mir: 'Komm rein Jung, diese Woche bringste einen Ton raus, und nächste werden es schon zwei sein.'"

»Es gibt keine falschen Noten – nur welche, die richtiger sind als andere!« Till Brönner

Der Eisbrecher wirkt. Es sind Momente wie dieser, die deutlich machen, wie besonders der Kontakt des Stars mit dem Jazz-Nachwuchs ist: Den Jugendlichen wird die Angst genommen, ihnen wird von einem Großen der Szene signalisiert, dass jeder klein angefangen hat, und dass es ok ist, aufgeregt zu sein. Angst, Fehler zu machen, müssen sie ohnehin nicht haben, wie Brönner betont: „Es gibt keine falschen Noten – nur welche, die richtiger sind als andere“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln.

So schreitet die Probe munter voran. Mal wird das Tempo variiert, mal mehr Aufmerksamkeit auf die Dynamik gelegt. Es werden Fragen gestellt ("Habt ihr da eine punktierte Viertel oder ist die vorgezogen? Manche spielen, als ob sie vorgezogen ist."), gelobt und Versatzstücke wiederholt, bis sie sauber vom Blatt runtergespielt werden können. Köpfe nicken, Füße wippen. Es macht den Jugendlichen sichtlich Spaß, ihr Können an den Instrumenten zu zeigen, aber auch Neues zu lernen von einem, der seit vielen Jahrzehnten von der Musik lebt. Beispielsweise, dass man nur spielen kann, was man auch singen kann, was besonders beim Improvisieren hilfreich ist. Und dass Improvisieren generell wie Vokabeln lernen ist; man eignet sich Stück für Stück neue Kenntnisse an, und verfestigt sie durch stete Wiederholung.

Nach ein paar Durchgängen "Stolen Moments" geht es weiter mit "Condor", bekannt aus dem Film "Die drei Tage des Condor" mit Robert Redford. "Welchen Akkord haben wir da?", fragt Till Brönner. "Genau, as-Moll über Des". Dirigentin Johanna strauchelt ein wenig, sie geht schüchtern zu Werke, als ob ihr der Mut fehlt. Nach Ermutigung und direkter Ansprache sind die Berührungsängste so gut wie weg, die 19-Jährige agiert deutlich entschiedener, zählt direkt die Bläser- oder Rhythmus-Fraktion an, lenkt die Jazzerinnen und Jazzer entschlossener. "Das verspricht doch was zu werden", lobt der Maestro, "Kompliment!" Johanna lächelt stolz.

Doch bleibt es nicht nur beim gemeinsamen Jammen an diesem Tag. Über eine Stunde nimmt sich Brönner Zeit, um sich mit den Schülerinnen und Schülern zu unterhalten. In der Frage- und Antwort-Session wird über Till Brönners Werdegang, die Musikindustrie allgemein, Improvisation und über Träume gesprochen. Offen und charmant geht er auf die Fragen ein, unterhält mit persönlichen Anekdoten – etwa, dass er sich während des Studiums unter anderem mit musikalischer Trauerbegleitung über Wasser gehalten habe, und dass es seiner Meinung nach überhaupt nichts Schlechtes sei, ein Amateur zu sein. Denn: "Ein Amateur ist per se kein schlechter Musiker. Im Gegenteil, er hat einfach nur einen anderen Hauptjob, und kann dann einfach frei von der Leber und kompromisslos spielen, weil er davon nicht leben muss." Schließlich hat Brönner noch einen äußerst praktischen Tipp für die jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer von JIMS parat: "Es ist elementar wichtig, jeden Tag wenigstens fünf Minuten zu spielen. Trompete und Blechblas muss nicht deinem Kopf, sondern deinem Körper beigebacht werden, der das ohne Wiederholung aber sofort wieder verlernt. Drei Tage Pause bedeutet sechs Tage üben, bis man wieder auf dem Niveau vor der Pause war. Und darum lieber einfach jeden Tag fünf Minuten spielen."

Und während draußen die Schneeflocken durch die eiskalte Frankfurter Luft tanzen und die Karusselmusik vom Weihnachtsmarkt vom Römerberg herübertönt, macht sich in der Musikschule Frankfurt das Schüler-Jazzensemble bereit, sein musikalisches Können Till Brönner zu demonstrieren. Denn auch sie werden unter der Leitung von Peter Klohmann neben der Jugend-Bigband und Klassen von der Helmholtzschule und des Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums mit ihm am 24. Januar auf der Bühne in der Alten Oper stehen.