Unsere Demokratie gerät derzeit zunehmend unter Druck und muss sich in herausfordernden Zeiten bewähren. Extreme Parteien gewinnen an Wählergunst, autoritäre Strömungen nutzen soziale Netzwerke für gezielte Desinformation und der Respekt im Umgang miteinander schwindet. Ängste werden durch Krisen wie Kriege, Klimawandel und Migration weiter geschürt und befördern eher egoistisches Verhalten als Vertrauen in den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Angesichts dieser Lage ist es heute wichtiger denn je, sich für unsere Demokratie einzusetzen. Wir als Stiftung Polytechnische Gesellschaft bekennen uns klar zu den freiheitlich-demokratischen Werten unseres Landes, die den Kernbestand unserer Demokratie bilden und vor genau 75 Jahren im Grundgesetz festgehalten wurden. Wir sind der Auffassung, dass wir nur gemeinsam und im differenzierten Austausch die komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen lösen können. Demokratie ist Vielfalt und Interessensausgleich; sie ist Freiheit, die dort endet, wo die Rechte anderer eingeschränkt werden. Sie ist keine Selbstverständlichkeit, sondern historische Errungenschaft und muss immer wieder aufs Neue aktiv ein- und ausgeübt werden. Dazu möchten wir als Stiftung beitragen und haben daher einen eigenen Bereich für Demokratiebildung ins Leben gerufen. Dieser ergänzt die anderen operativen Bereiche der Stiftung, die ebenfalls Demokratiethemen aufgreifen, sowie den Förderbereich, in dem wir Demokratie-Initiativen Dritter unterstützen.
Die Programme des Bereichs Demokratiebildung richten sich an die junge Generation, um früh in der Bildungsbiographie anzusetzen und eine möglichst große Wirkung zu erzielen. Innerhalb dieser Generation ist es uns ein Anliegen, von Real- über Berufsschülerinnen und -schülern bis hin zu Master-Studierenden unterschiedliche Gruppen sowohl in der Breite als auch in der Spitze zu fördern.
Drei Bereiche, die ineinandergreifen und aufeinander aufbauen, sind uns hier wichtig: die Vermittlung von Wissen über Demokratie, das Einüben demokratischer Kompetenzen sowie die Stärkung von bürgerschaftlichem Engagement für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Wissen über Demokratie und demokratische Werte vermitteln
Die Programme im Bereich Demokratiebildung regen junge Menschen dazu an, sich mit verfassungsrechtlichen, politischen sowie gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen näher zu beschäftigen und das eigene Wissen zu vertiefen. Themen sind etwa die deutsche Verfassung, demokratische Werte (wie Gleichheit, Freiheit, Toleranz), anstehende Wahlen oder das Berufsfeld von Politikerinnen und Politikern. Sie sind für junge Menschen vor allem dann spannend und einprägsam, wenn Personen aus der Praxis wie Stadtverordnete oder Expertinnen befragt werden können und ein direkter Austausch stattfinden kann.
Kompetenzen demokratischer Praxis fördern
Ganz in der Tradition der Aufklärung geht es der Stiftung darum, die Demokratiemündigkeit von jungen Menschen zu fördern, um sie zu befähigen, sich eigenständig ein begründetes Urteil zu bilden und dieses in der Gesellschaft zu vertreten. Dazu gehören das Erlernen einer offenen Diskussionskultur mit auf Vernunft basierenden Argumenten, die Stärkung von Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Lebensweisen sowie die Befähigung, einen Konsens zu finden und mit ausverhandelten Kompromissen zu leben. Auf der psychologischen Ebene sind Resilienz und Ambiguitätstoleranz (also die Fähigkeit, Ungewissheit auszuhalten und mit dynamischem Wandel umzugehen) wichtige Eigenschaften. Für das Einüben dieser Kompetenzen setzen wir uns ein und stärken so die Persönlichkeitsentwicklung der Personen, die an unseren Programmen teilnehmen.
Demokratische Teilhabe und Teilgabe stärken
Wissen und demokratische Kompetenzen sind Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe bzw. dafür, sich kompetent und qualifiziert in die Gesellschaft einbringen zu können. Die junge Generation kann sich nur dann für Demokratie engagieren, wenn sie die verschiedenen Möglichkeiten dafür kennt und es Freiräume für offenen Austausch, das Einüben von Demokratiepraktiken und das Erproben von Verantwortungsübernahme gibt. Hier setzen wir als Stiftung an und geben jungen Menschen Orientierung und Entfaltungsmöglichkeiten. Sie übernehmen Verantwortung für eigene Projekte, bringen sich in Veranstaltungen ein und geben dadurch der Gesellschaft – im Sinne einer „Teilgabe“ – auch wieder etwas zurück. Damit dies gelingt, muss die Gesellschaft junge Menschen ernst nehmen, ihnen etwas zutrauen, ja manchmal auch zumuten, und Verantwortung an sie abgeben. Auch dafür setzen wir uns ein und kooperieren mit Jugendorganisationen wie dem StadtschülerInnenrat Frankfurt.
Auf diese Weise trägt der Demokratiebereich nicht nur zur Persönlichkeitsentwicklung und zur Teilhabe junger Menschen bei, sondern stärkt auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Bauen am "Wir".
Sich gemeinsam der Verantwortung stellen
Aus einer Fülle von Möglichkeiten haben wir für den neuen Bereich Demokratiebildung eine erste Auswahl getroffen und uns mit Programmen für die junge Generation auf den Weg gemacht. Die Krisen der letzten Jahre haben verdeutlicht, dass Demokratie kein Selbstläufer ist und wir aktiv zu ihrer Stärkung beitragen müssen. Dass wir aufstehen und handeln müssen, jeder nach seinen Möglichkeiten. Es braucht Wachheit, Vernunft und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Weniger Egoismus und viel mehr von einem großen und demokratischen Wir!
Gerade Stiftungen können eine wichtige und sinnvolle Rolle spielen, wenn es um die Stärkung der Demokratie geht, indem sie demokratische Werte vermitteln, die Persönlichkeitsentwicklung fördern und Möglichkeiten für bürgergesellschaftliches Engagement aufzeigen. Stiftungen sind finanziell und politisch unabhängig – durch diese Handlungsfreiheit können sie wichtige Akzente setzen, Impulsgeber sein – sei es für neue Formate oder neue Plattformen der Zusammenarbeit –, Ideen testen und dem Staat beratend zur Seite stehen. Für eine widerstandsfähige Demokratie und die Suche nach Lösungen in Krisenzeiten wird wichtig sein, dass Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam handeln und sich für Bildung und Aufklärung einsetzen. Dieser Verantwortung stellt sich auch die Stiftung Polytechnische Gesellschaft.