Achtsamkeit: Dieser Begriff gewinnt zunehmend an Bedeutung. Denn unsere Gesellschaft steht, vor allem angesichts der multiplen Krisen unserer Zeit, vor großen Herausforderungen. Das spüren auch die Schulen – und reagieren. Das Staatliche Schulamt und die Stiftung Polytechnische Gesellschaft haben sich in einer Kooperation dem Thema "Achtsamkeit in der Schule" angenommen – um die "Schule von Morgen" so zu gestalten, dass sie den Ansprüchen unserer heutigen Zeit gewachsen ist.
AiSCHU – diese Abkürzung steht für "Achtsamkeit in der Schule". Dahinter verbirgt sich ein erfahrungs- und körperorientiertes Rahmencurriculum für Schulen. Es bildet die Grundlage dafür, wie das Staatliche Schulamt und die Stiftung Polytechnische Gesellschaft das Thema Achtsamkeit an Frankfurts Schulen bringen wollen. Begonnen hatte das Projekt ursprünglich an der Oberstufe der Elisabethenschule in Frankfurt, für die es ursprünglich von der Pädagogin und Bildungsexpertin Vera Kaltwasser entwickelt worden war. Von dort aus konnte es in den letzten zwei Jahren erfolgreich ausgeweitet werden: Bereits 171 Personen konnten in dieser Zeit geschult werden.
Fortsetzung der Kooperation
Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich betont: "Wir als Stiftung sind sehr glücklich darüber, dass wir zu dem Thema 'Achtsamkeit in der Schule' bereits seit 2023 eine Kooperation mit dem Staatlichen Schulamt haben. Denn: In der aktuellen Gemengelage der vielen gleichzeitigen Krisen steigt auch der psychische Druck der Kinder. Das Thema Stabilisierung und Resilienz von Kindern und Jugendlichen sehen wir als Stiftung – neben der Vermittlung von fachlichem Wissen – in der Schule daher als sehr wichtig an. Deshalb finanzieren wir im Rahmen unserer Förderaktivitäten das Achtsamkeitstraining in der Schule mit. Wir wollen gemeinsam mit dem Staatlichen Schulamt etwas bewegen. Und wir stehen dazu bereit, diese Förderung auch im Jahr 2025 fortzusetzen."
Das freut Evelyn Spyra, Leiterin des Staatlichen Schulamts der Stadt Frankfurt am Main. Aktuell seien bereits 49 Frankfurter Schulen in das Rahmencurriculum AiSCHU eingebunden, darunter 20 Grundschulen. "Und das vor allem auch Dank der ideellen und finanziellen Unterstützung der Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Aktuell haben wir jedoch 166 öffentliche Schulen in Frankfurt. Unser Ziel ist es, das Programm deutlich auszuweiten."
»Unser Ansatz ist, schon in der Grundschule zu wirken. Je früher, desto besser.«
Evelyn Spyra
Leiterin des Staatlichen Schulamts der Stadt Frankfurt am Main
Doch: Was bedeutet die Implementierung von Achtsamkeit in der Schule eigentlich ganz konkret? Was sind die Ziele hinter dem Programm? "Wir möchten, dass die Kinder lernen, sich zu konzentrieren und ihre Aufmerksamkeit zu steuern. Eine selbstbestimmte Regulierung mit Blick auf die Nutzung digitaler Medien ist dabei ein wichtiges, konkretes Ziel – zu lernen, das Handy auch mal bewusst zur Seite zu legen. Wir wollen, dass die Kinder und Jugendlichen dazu befähigt werden, Beziehungen im sozialen Miteinander aufbauen und achtsame, wertschätzende Dialoge führen zu können – es geht also auch um die Förderung der gegenseitigen Wertschätzung im täglichen Umgang miteinander; und wir wollen, dass die Kinder dazu befähigt werden, eine erhöhte Resilienz auszubilden, um widerstandsfähiger zu werden. Das gehört für mich zum Gesundheitsprogramm an der Schule: Gesundheit erhalten für die Lehrkräfte und die Kinder. Denn Stressbewältigung ist ein großes Thema", so Evelyn Spyra.
Toni Hofmann ist seit über 20 Jahren Lehrkraft und seit über zehn Jahren Lehrerin für Deutsch und Geschichte an der Frankfurter Elisabethenschule, einem Gymnasium im Nordend. Dank der Initiative des Schulamtes ist sie zudem seit Kurzem Fachberaterin für das Thema Achtsamkeit im Staatlichen Schulamt. In dieser Rolle spricht sie mit anderen Lehrkräften über die Chancen, die das Thema Achtsamkeit an der Schule mit sich bringt, unterstützt und vernetzt andere Kolleginnen und Kollegen mit Blick darauf, das Achtsamkeitstraining auch an ihrer Schule einzuführen. Sie brennt spürbar für das Thema, für das sie wirbt – weil sie in ihrem eigenen Unterricht damit nur positive Erfahrungen macht. "Man kann bereits durch recht einfache Übungen eine Menge erreichen. Wenn ich morgens z.B. in meine Klasse komme, starten wir mit einer Abklopfübung. Wir setzen uns hin – die Füße auf dem Boden, die Hände auf den Knien, achten auf die Atmung. Wir helfen den Kindern dabei, in die Stille zu gehen und den eigenen Körper zu spüren. Wir wollen vermitteln: In der Wahrnehmung des eigenen Körpers kann man vieles besser beeinflussen. Es gibt zahlreiche weitere Übungen, die zum Beispiel zur Weiterentwicklung der Kommunikationsfähigkeit oder Resilienzstärkung beitragen. Das Gute daran ist vor allem, dass es in den Fachunterricht eingebunden ist. Es kann organisch an einer Schule Eingang finden."
Toni Hofmann hat bisher schon viele Lehrkräfte erreichen können und inzwischen bereits über zehn Multiplikatorinnen und Multiplikatoren gewonnen, die in ganz Frankfurt unterwegs sind, um das Achtsamkeitscurriculum AiSCHU an Schulen zu bringen. Sie resümiert: "Dieses Curriculum ist einfach das Kraftvollste, was ich in meiner 'Schulzeit' bisher erlebt habe. Ich bin froh, dass ich damit arbeiten kann."
Ein Fachtag für die Achtsamkeit
Wie die Förderung von Achtsamkeit in der Schule gelingen und nutzen kann, darum geht es am 26. November 2024 auch bei dem Fachtag zum Thema "Achtsamkeit zieht Kreise in der Bildung" im Haus am Dom. Die Veranstaltung richtet sich an Interessierte aus der Bildungslandschaft, die mehr zum Thema Achtsamkeit im schulischen und pädagogischen Kontext erfahren und/oder es etablieren möchten. Verschiedene Multiplikatorinnen und Multiplikatoren werden aus der Praxis darüber berichten, wie sie das Thema Achtsamkeit ganz konkret in die Unterrichtsgestaltung einfließen lassen. Von 16.30 bis 19.00 Uhr können zunächst Schulleitungen, Lehrkräfte, Pädagoginnen und Pädagogen an Workshops teilnehmen. Ab 19.00 Uhr wird dann in einem zweiten, öffentlichen Teil Diplom-Psychologin, Neurowissenschaftlerin und Achtsamkeitstrainerin Britta Hölzel über das Potenzial der Achtsamkeit in Forschung und Praxis sprechen. Anschließend folgt eine gemeinsame Gesprächsrunde mit dem Staatlichen Schulamt, der Stiftung Polytechnische Gesellschaft und Vera Kaltwasser.