Begleitet von der futuristisch anmutenden, elektronisch inspirierten Live-Performance von DJ Oli Rubow füllt sich an diesem lauen Juni-Abend der große Saal im House of Logistics and Mobility (HOLM) mit gespannter, neugieriger Energie: Unter dem Motto "Campus & Code: Wir für Frankfurt!" haben über einhundert junge digitale Talente, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Mentorinnen und Mentoren sowie Vertreterinnen und Vertreter der Stadtgesellschaft die Aufnahme der elften Main-Campus-Generation und gleichzeitig die Verabschiedung der sechsten Digitechnikum-Generation gefeiert.
Beide Programme der Stiftung Polytechnische Gesellschaft verbindet ein gemeinsames Ziel: Sie fördern junge Menschen, die nicht nur in ihren Fachgebieten herausragend sind, sondern auch Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen wollen. "Wir nutzen alle das Digitale, aber wer kann es auch bauen?", fragt Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich, Vorstandsvorsitzender der Stiftung, in seiner Begrüßung.
Dass die Herausforderungen der Zukunft nicht allein mit technologischem Wissen zu bewältigen sind, macht Prof. Dr. Andreas Dengel, Inhaber der Professur für Informatikdidaktik an der Goethe-Universität, im Einführungstalk deutlich. Mit Blick auf die rasanten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz schildert er eine Grundschulveranstaltung, bei der ein Siebenjähriger fragte: "Was kann KI eigentlich, wenn ich mal erwachsen bin?" Eine Frage, auf die es heute keine sichere Antwort gibt – außer der, dass technologische wie gesellschaftliche Kompetenzen gleichermaßen gefragt sein werden, um diese Zukunft zu gestalten. Genau darum gehe es, ergänzt Prof. Dievernich anknüpfend an die polytechnische Tradition, die auf die Aufklärung zurückgeht und heute relevanter ist denn je: um Freiheit im Denken, um wissenschaftliche Neugier, um Verantwortung und Rationalität in einer zunehmend polarisierten Welt, in der Meinungen immer öfter über Fakten gestellt werden.
Digitale Lösungen und gesellschaftlich relevante Forschung
Was das in der Praxis bedeutet, zeigt sich im Interview zwischen Bastian Stock, der im Main-Campus-Stipendiatenwerk promoviert, und Yuzheng Liu (Spitzname Molly), Alumna des Digitechnikums und seit drei Jahren Mentorin im Programm. Für Bastian, der Vater von vier Kindern ist und sich ebenfalls ehrenamtlich als Mentor im Digitechnikum engagiert, ermöglicht das Main-Campus-Stipendium, dass er sich auf seine Forschung konzentrieren und zugleich jungen Talenten Wissen vermitteln kann. Molly, die im Herbst ein Informatik-Studium in Zürich beginnt, gibt den "Digis", die an diesem Abend verabschiedet werden, mit auf den Weg: "Programmieren braucht Frustrationstoleranz. Aber es macht Spaß, wenn man dranbleibt."
Wie vielfältig die Themen sind, an denen die Digitechnikum-Stipendiatinnen und -Stipendiaten im vergangenen Jahr gearbeitet haben, zeigen fünf beeindruckende Projektfilme: Mit der App "PanoramAG" lassen sich Schul-AGs schülergerecht präsentieren und vernetzen. "AnyMap" schafft digitale Orientierung für barrierefreie Wege. "Eure SV" unterstützt Schülervertretungen in ihrer internen Kommunikation und im schulübergreifenden Austausch. "Fevent" hilft, Gleichgesinnte bei Veranstaltungen zu finden und Kontakte im analogen Raum zu stärken. "Campus Coach" schließlich bietet eine Plattform zur Vermittlung von Nachhilfeangeboten und -gesuchen. Alle Projekte entstanden im Team, getragen von der Überzeugung, dass Digitalisierung dann am stärksten wirkt, wenn sie konkrete gesellschaftliche Bedürfnisse adressiert.
Bei den Main-Campus-Stipendiatinnen und -Stipendiaten der elften Generation wird ebenfalls sichtbar, wie eng wissenschaftliche Exzellenz und gesellschaftliche Verantwortung miteinander zusammenhängen: Mellisa Grothgar etwa erforscht, wie sich Klassenzimmer für Kinder mit ADHS so gestalten lassen, dass sie zu besseren Lernräumen werden. Dr. med. Moritz Verdenhalven arbeitet zur Geschichte der Frankfurter Psychiatrie im Nationalsozialismus und fragt, wie Ärztinnen und Ärzte zu Tätern werden konnten. Janina Haring untersucht Female Leadership im Jungen Theater und was wir daraus über gute Führung lernen können. Fynn Finkbeiner verknüpft als promovierender Erziehungswissenschaftler und gelernter Schreiner Themen aus Psychotherapie, Bildung und Handwerk. Dr. med. Mathias Luderer untersucht, wie Abhängigkeitserkrankungen und ADHS miteinander zusammenhängen könnten.
Voneinander lernen, miteinander gestalten
Gleich mehrere Main-Campus-Stipendiatinnen und Stipendiaten beschäftigen sich mit den Chancen und Herausforderungen digitaler Technologien: Dr. Yvonne Beaugé nutzt Virtual-Reality-Anwendungen, um Medizinstudierende für den Umgang mit Patientinnen und Patienten zu sensibilisieren. Bastian Stock untersucht, warum große Sprachmodelle in KI-Anwendungen halluzinieren und wie sich das vermeiden lässt. Und auch die Umweltforschung ist stark vertreten: PD Dr. Carolin Völker analysiert die Risiken chemischer Stoffe wie Mikroplastik und sogenannter Ewigkeitschemikalien, die früher beispielsweise in Skiwachs verwendet wurden und hochgiftig sind, während Jan Halaunia die Auswirkungen chemischer Umweltverschmutzung im Frankfurter Raum erforscht.
So entsteht an diesem Abend ein vielschichtiges Bild davon, was es heißt, mit wissenschaftlicher Neugier und technischem Gestaltungswillen "für Frankfurt" zu arbeiten. Während DJ Oli Rubow das HOLM mit seinen Drums nochmals elektrisiert, entwickeln sich im Foyer bereits lebhafte Gespräche zwischen alten und neuen Stipendiatinnen und Stipendiaten, Mentorinnen und Mentoren, Gästen und Partnern. Was bleibt, ist der Eindruck einer Gemeinschaft junger Talente, die nicht nur in ihren Fachgebieten, sondern auch als verantwortungsbewusste Gestalterinnen und Gestalter unserer Gesellschaft wirken wollen.