Junge Forscher

Grundschüler im KI-Fieber

17. Juli 2024, von Clara Urban (jeb)

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Wie lässt sich kindliche Kreativität mit Künstlicher Intelligenz verbinden? Die Jungen Forscher bringen Grundschülern der Pestalozzischule die Funktionsweise von Computern und KI näher.

Der Hörsaal III der Goethe-Universität ist von aufgeregten Kinderstimmen und bunten Rucksäcken erfüllt. Etwa fünfzig Grundschulkinder in farbenfrohen Jacken suchen sich voller Vorfreude einen Platz in den Stuhlreihen, in denen sonst Studierende Platz nehmen. Einige flüstern aufgeregt, andere zeigen auf die große Leinwand vor ihnen, als Informatik-Professor Andreas Dengel den Saal betritt.

Mit einem freudig-fröhlichen "Guten Morgen Andy!" aus 50 Kinderkehlen startet Ende Mai der dritte Projekttag der "Jungen Forscher" zum Thema "Künstliche Intelligenz" mit den Grundschülern der Pestalozzischule. "Meine Geschichte hat damit begonnen, dass ich mit neun Jahren leidenschaftlich gerne Videospiele gespielt habe", beginnt Professor Andreas Dengel seine Vorlesung. Eine Bemerkung, die im Saal umgehend für Begeisterung sorgt. "Irgendwann aber meinte mein Vater 'So geht das nicht weiter Sohn, sonst wirst du schlecht in der Schule'" erzählt der Hochschulprofessor für Informatikdidaktik vom IDMI der Goethe-Universität Frankfurt weiter. Das habe ihn schließlich dazu gebracht, der Frage nachzugehen, wie man virtuell lernen könne – und somit zur besonderen Vorlesung an diesem Tag für die Teilnehmenden des Projekts "Junge Forscher".

Ziel des Projekts "Junge Forscher" ist es, die Faszination für die Welt der Wissenschaft bei Grundschülern zu wecken. Neugier und Forschergeist der Kinder sollen durch den persönlichen Kontakt mit Stipendiaten und Alumni des Main-Campus-Stipendiatenwerks gefördert werden, die "Jungen Forscher" ein Vorbild sein für die Grundschüler. Die ersten beiden Projekttage mit den Kindern der Pestalozzischule waren ein voller Erfolg, erklärt Projektleiterin Annika Löffler-Djahani. Nachdem die Kinder bereits selbst Computer auseinandergebaut haben und erste Erfahrungen mit dem Programmieren sammeln konnten, sollen sie heute mithilfe von Künstlicher Intelligenz Geschichten und Bilder generieren.

"Die Mathematik hinter der KI ersetzen wir heute mal," kündigt Professor Dengel an, und holt eine goldene Wunderlampe aus seinem Rucksack. Er öffnet den Deckel und spricht in sie hinein: "Alles Gute zum…" …. "GEBURTSTAG!", schallt es aus dem jungen Auditorium. Eben diese Antwort hätte wohl auch Künstliche Intelligenz gegeben, denn sie ist die wahrscheinlichste, erklärt Dengel seinen aufmerksamen Zuhörerinnen und Zuhörern.

Jetzt ist es an der Zeit, selbst auszuprobieren, was KI so kann. Mithilfe eines Online-Chatbots erstellen die Schülerinnen und Schüler mit Professor Dengel eine Geschichte über einen weißen Tiger Leopold, dem ein kleines Eulenmädchen hilft, Freunde zu finden. Auch ein passender Rapsong und ein Bild zur Geschichte sind schnell erstellt. "Dieses Bild hat noch nie zuvor jemand gesehen. Es ist nur dank eurer Kreativität und den Fähigkeiten der KI entstanden", gibt Andreas Dengel zu bedenken. Das Staunen im Hörsaal ist groß.

Nach der Vorlesung helfen die "Jungen Forscher" den Grundschülern dabei, selbst mit KI Geschichten und Bilder zu generieren. Dabei sind Magnus Petersen und Bastian Stock, die beide an KI forschen, sowie der Physik-Student Johannes Kroneisen und Dominik Brey, der zurzeit in theoretischer Chemie promoviert. Sie sind Stipendiaten und Alumni aus dem Netzwerk der Stiftung und engagieren sich ehrenamtlich in dem Projekt, um Schülerinnen und Schülern komplexe wissenschaftliche Themen kindgerecht näherzubringen. Naturwissenschaften und gerade Informatik finden in der Grundschule nicht den Platz, der ihnen eigentlich gebührt. Besonders wichtig sei es für die Kinder, zu verstehen, was hinter KI und deren möglichen Anwendung im Alltag steckt, findet Schulleiter Christian Wolf von der Pestalozzischule, der ebenfalls bei dem Projekttag vor Ort ist: "Die Kinder müssen lernen auch zu hinterfragen, was im Internet steht. Der kritische Geist muss sich der Zeit anpassen."

Jeweils vier Kinder sitzen aufgeregt vor einem Computer. "Wir können jetzt einfach alles schreiben!", jubeln sie. Intensiv wird diskutiert, was für ein Bild die KI generieren soll. "Ein Bild von Ronaldos Sohn, wie er den WM-Pokal hochhebt!" beschließt eine Gruppe und wartet gespannt auf das Ergebnis. "Wow! Das sieht fancy aus!" lautet das beeindruckte Urteil. "Aber die Haare müssen lockig sein", merkt ein Junge an. "Die Flagge ist ja die niederländische und nicht die portugiesische", lacht ein anderer. In anderen Ecken des Raumes werden Drachenkugelkrieger, grüne Hasen, Tiger im Schwimmbad oder ein "köstlicher riesen Luxus-Döner" generiert. "Die Kinder haben eine überraschend gute Intuition für Computer", bemerkt Betreuer Magnus Petersen. Mit jedem neuen Bild präzisieren die Gruppen ihre Wünsche an die KI und bekommen ein Gefühl dafür, welche Auswirkung ihre Wortwahl beim sogenannten "Prompting" auf das Ergebnis hat – und dass die KI wie bei den Flaggen durchaus auch mal Fehler macht und schummelt.

Helga Göpper, Lehrerin an der Pestalozzischule, zeigt sich begeistert vom hohen Motivationscharakter des Projekts. Im Rahmen der "Jungen Forscher" beteiligten sich auch die sonst eher stilleren Kinder. "Ihnen wird durch die Studenten eine Aufmerksamkeit zuteil, die sie spiegeln. Jeder hat ein Betätigungsfeld gefunden, das seinen Interessen perfekt entspricht." Einen weiteren Vorteil der "Jungen Forscher" sieht Klassenlehrerin Amelie Braun in dem Vorbild-Charakter der mitwirkenden Studierenden: "Viele Kinder haben gar nicht auf dem Schirm, was sie alles werden können."

Für die "Jungen Forscher" und Andreas Dengel gibt es am Ende des Projekttages begeisterten Applaus. Die Schülerinnen und Schüler der Pestalozzischule sind sichtlich zufrieden mit ihren generierten Bildern und Geschichten. Ihr Enthusiasmus und Interesse wird schließlich noch mit einer Urkunde belohnt. Sie bestätigt, dass auch sie heute zu jungen Forscherinnen und Forschern geworden sind.