Gemeinsam mit dem Biologen Dr. Florian Freudenberg ist das Kolleg für junge Talente beim Kollegtag in das Thema der psychiatrischen Forschung eingetaucht.
Anfangs sammelten wir gemeinsam, welche psychischen Erkrankungen inklusive der Ursachen und Assoziationen wir bereits kannten. Besonderer Fokus wurde auf Angststörungen, Depressionen, ADHS und Psychosen gelegt. Anhand von Statistiken und einer anschaulichen PowerPoint-Präsentation wurden wir über diese psychischen Erkrankungen, ihre Prävalenz und ihre Komorbiditäten aufgeklärt.
Nächster Fokus bildeten die Risikofaktoren für psychische Erkrankungen. Neben Umweltfaktoren wie Substanzmissbrauch, Stress und interessanterweise dem Leben in einer Stadt gilt Genetik als wichtigster Risikofaktor. Generell besteht dringender Bedarf an Forschung zu psychischen Erkrankungen, da bis heute die Ursachen nicht vollständig verstanden sind und sich die derzeitige Pharmakotherapie als nicht wirksam genug erwiesen hat. Auch hören viele Patienten bereits aufgrund der Nebenwirkungen auf die Medikamente zu nehmen. Darüber gelangten wir schließlich zum Thema der Tierversuche und ihrer Zuverlässigkeit in der Forschung. Mehr als 70 % der Tiere, an denen Versuche gemacht werden, sind Mäuse und Ratten.
Fest steht, dass es unzählige Alternativmethoden in vivo (z.B. Mikrodosierung), in vitro (z.B. permanente Zellkulturen), ex vivo (z.B. primäre Zellkulturen) und in silico (z.B. Computer-Simulationen) gibt. Natürlich versuchen Experten nach dem 3R Prinzip „replacement, reduction, refinement“ Tierversuche ganz zu vermeiden bzw. zu ersetzen (replacement), die Zahl der Tiere so weit wie möglich zu beschränken (reduction) und die Versuche hinsichtlich erhöhten Erkenntnisgewinn und reduziertem Leiden zu verbessern (refinmen). Andererseits ist unumstößlich, dass Menschen nun einmal 92% ihrer Genetik mit Mäusen teilen. Somit gilt die Modellierung psychischer Erkrankungen im Tiermodell als äußerst hilfreiche Methode bei einer detaillierten Untersuchung einer bestimmten Ursache psychischer Erkrankungen. Doch wie genau werden psychische Erkrankungen überhaupt im Tiermodell modelliert?
Konkret ist darunter die Untersuchung des Verhaltens der Tiere unter gewissen Umständen, ob innerlich oder äußerlich, gemeint. Genetische Veränderungen können durch das Entnehmen, Verändern und Hinzufügen von Genen erzielt werden. Solche Mäuse werden dann als „Knock-out”, „Knock-in” und „Transgene” bezeichnet. Ein genetisches Modell wäre auch zum Beispiel eine Maus, der durch eine kleine OP ein Virus gespritzt wird, das ein bestimmtes Gen in der Maus verändert oder entfernt. Der Corona Impfstoff von AstraZeneca basiert beispielsweise auf einem ähnlichen Prinzip, hier kommt es aber nicht zu einer Veränderung der Gene.
Andererseits können auch äußerlich veränderbare Kriterien untersucht werden. Es gibt Vieles im Leben einer Maus, das chronisch milden Stress erzeugen kann. Futterentzug, leere Flaschen oder schiefe Käfige zum Beispiel. Neben dem chronisch milden Stress gibt es auch den sozialen Stress. Dieser entsteht durch einen ständigen Käfigwechsel (Soziale Instabilität) oder durch das wiederholte Verlieren gegen andere Mäuse (Social Defeat). Schließlich haben auch Mäuse ein Ansehen, das aber durch die Niederlagen beschmutzt werden kann. Neben diesen Modellen gibt es auch die pharmakologische Modelle, die für die Überprüfung von Medikamenten verwendet werden.
Inzwischen stellt sich jedoch die Frage, inwiefern uns die kleinen Mäuse helfen, physische Krankheiten zu erkunden.
Wie schon erwähnt, haben Mäuse und Menschen eine genetische Übereinstimmung von 92 %. Demnach kann das Verhalten der Nagetiere analysiert und in einem gewissen Rahmen auf Menschen zurückgeführt werden. Vor allem die Entwicklung von Medikamenten ist auf die Mäuse angewiesen. An diesen testet man die Produkte aus, um deren Wirksamkeit zu überprüfen. Aufgrund der Ähnlichkeit der Gene haben Medikamente einen ähnlichen Effekt auf den Menschen. Beispielweise bleiben Mäuse, denen Valium (ein Arzneimittel u.a. gegen Angst) verabreicht wurde, länger in hellen Räumen, obwohl sie diese normalerweise eher meiden.
Um jedoch herauszufinden, ob das entwickelte Arzneimittel hilft, muss erst die Ursache für z.B. die Depression oder die Angst ausfindig gemacht werden. Dazu dient die „Selektive Zucht auf extremen Phänotypen”. Darunter ist das Durchführen verschiedener Experimente in der Hinsicht auf das Verhalten der Mäuse gemeint. Möchte man überprüfen, ab welchem Punkt eine Maus depressiv wird, so könnte der „Forced Swim Test", der „Tail Suspension Test” etc. durchgeführt werden. Bei beiden wird der Zeitpunkt des Aufgebens festgehalten. Ähnlich ist es beim Untersuchen des ängstlichen Verhaltens. Hierbei wird nämlich auch gemessen, wie lange sie sich beispielsweise in hellen Räumen befinden (Light-Dark-Box).
Es gibt Weiteres, was der Analyse unterzogen werden kann, darunter zum Beispiel soziale Interaktionen. Hier wird eine jüngere Maus neben eine Testmaus gesetzt und deren Interaktionszeit (also die Zeit, in der sie einander beschnüffeln) dokumentiert. Ähnlich wird auch das Kurzzeitgedächtnis der Mäuse analysiert.
14:51. Der theoretische Part fand ein Ende und Praxis war als nächstes angesagt. Wir hatten die Aufgabe, die Dauer der Interaktionen zwischen einer jungen Maus und einer Testmaus in einem Video zu messen. Dasselbe wurde wiederholt, diesmal wurde im Video jedoch eine weitere Maus in die Box gelassen. Beide Male war unser Durchschnittsergebnis circa doppelt so groß wie das offiziell Vermessene. Laut Florian Freudenberg sei es nur leicht darüber und brachte uns damit zum Lachen. Witziger fanden wir seine Behauptung, dass Wikipedia zum Recherchieren zu diesen Themen gut sei. Das war aber wohl ernstgemeint.
Als letztes beschäftigten wir uns mit dem „Tracing“ von Nervenzellen und mit der „Sholl-Analyse” und tauchten somit für eine kurze Weile in die Arbeitswelt eines „Molekularpsychiaters“ ein.
16 Uhr. Wir verabschiedeten uns zwar von den anderen und beendeten den Kollegtag, geistig ging dieser jedoch weiter, denn unsere Gedanken wanderten ständig zu den Mäusen. Wir hatten nicht nur gelernt, dass Wikipedia eine gute Quelle sein kann, sondern auch, dass die kleinen Mäuschen den Katzen nicht nur zum Futter dienen, sondern auch für die Grundlagenwissenschaft sehr wertvoll sind.