Nach drei Projektmonaten feiert die zweite Generation der Nachhaltigkeitspraktiker ihren Abschluss. Beim letzten gemeinsamen Abend reflektieren sie über ihre Entwicklung und geben nützliche Tipps für mehr Nachhaltigkeit im Alltag.
Ein kräftiger Schauerregen geht über dem Main nieder. Das hält die Nachhaltigkeitspraktikerinnen und -praktiker nicht davon ab, ihren Abschluss des Projekts gebührend zu feiern, denn sie sind mit allen Wassern gewaschen. Auf dem Frankfurter Bootshaus "Yachtklub" kommen sie an diesem Abend zusammen – eins von nur wenigen persönlichen Treffen, sind die Pandemie-Einschränkungen doch noch immer allgegenwärtig. Nicht weniger herzlich fällt jedoch die Begrüßung aus. Man kennt sich aus den anregenden digitalen Salontreffen der vergangenen Monate, teilweise aber auch aus anderen Programmen der Stiftung Polytechnische Gesellschaft.
Von Stiftungsseite wurden die zwölf jungen Menschen zwischen 18 und 35 Jahren seit März bereichsübergreifend betreut, von Johanna Roos aus dem Bereich Bürgerengagement und Annika Löffler-Djahani aus dem Bereich Wissenschaft und Technik. "Mit dem Projekt Nachhaltigkeitspraktiker wollen wir ausprobieren," ruft Prof. Dr. Roland Kaehlbrandt, Vorstandvorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, vor der Urkundenvergabe in Erinnerung, "wie man im Alltag nachhaltiger leben kann, wenn man sofort damit anfängt. Ganz praktisch, ganz im polytechnischen Sinne."
Tipps für mehr Nachhaltigkeit im Alltag
Auf dem Programm der vergangenen Monate standen daher impulsgebende Veranstaltungen zu den Themen Plastik und Verpackung, Haushalt und Kosmetik, Umwelt und Ernährung. Dort lernten die Nachhaltigkeitspraktiker beispielsweise, dass die CO2-Bilanz von Butter schlechter ausfällt als die von Fleisch, dass jeder Mensch durchschnittlich wöchentlich fünf Gramm Mikroplastik zu sich nimmt und dass etwa ein Drittel aller Lebensmittel in deutschen Privathaushalten weggeschmissen werden. Außerdem bekamen die Nachhaltigkeitspraktiker immer wieder nützliche Tipps, wie sie diesen Entwicklungen entgegenwirken können, indem sie beispielsweise aus Essig und Zitronenschalen umweltfreundlichen Haushaltsreiniger selbst herstellen oder auch ohne eigenen Garten zum Hobbygärtner werden.
Im Laufe des Programms galt es, das eigene Verhalten zu reflektieren und selbst gesteckte Ziele zu erreichen, die den eigenen Alltag nachhaltiger gestalten. Anschließend ging es auch darum und Überlegungen anzustellen, wie das Gelernte im persönlichen Umfeld weitergetragen werden kann.
Jana Freudenbergers Vorhaben war es zum Beispiel, ihren Plastikmüll um die Hälfte zu reduzieren. Sie hat es zum Beispiel durch den Einkauf von unverpackten Produkten geschafft, viele ihrer Gewohnheiten umzustellen. Um ihre Freunde zu motivieren, dasselbe zu tun, stellt sie sich und ihnen eine Challenge: Wer schafft es, innerhalb eines Monats am wenigsten Verpackungsmüll zu produzieren? Ein ähnliches Vorhaben hatte auch Kathrin Vertgewall. Sie will einen Kalender erstellen, in dem Nachhaltigkeitstipps gegeben und Challenges gestellt werden – eine Anleitung für mehr Nachhaltigkeit über das ganze Jahr.
Als gutes Beispiel vorangehen
Tessa Otto setzte die Anregungen zu selbstgemachten umweltfreundlichen Haushaltsreinigern kurzerhand um und konnte so die Anzahl der Reinigungsmittel in ihrer WG reduzieren. "Die selbstgemachten Putzmittel funktionieren sogar viel besser als die gekauften", hat sie herausgefunden. Ihren Freunden will sie bei einem gemütlichen Beisammensein zeigen, wie die Herstellung funktioniert. Das hat auch Mats Klein vor, der der Runde per Telefon zugeschaltet ist. Er berichtet von seinem neu begrünten Balkon, auf den er seine Freunde zu selbst geerntetem Gemüse und Kräutern einladen und zu mehr Nachhaltigkeit im Alltag motivieren will.
Thuy Huyen (Adel) Vuong ist Studentin an der Goethe-Universität in Frankfurt, ursprünglich stammt sie aus Vietnam. Seit sie in Deutschland lebt, nutze sie viele Fertigprodukte, weil ihre gewohnten Kochzutaten in deutschen Supermärkten nicht verfügbar seien. Das Projekt habe sie dazu motiviert, wieder mehr selbst und frisch zu kochen. "Ich dachte, ich sei die Einzige, die sich Gedanken über Nachhaltigkeit macht", sagt sie. "Hier habe ich meine Community gefunden." Auch Judith Busse findet: "Das Schönste an dem Projekt waren die Menschen". Ihre Entwicklung habe sich vor allem in ihrem Kopf vollzogen, deshalb hat sie auch eine Kurzgeschichte über das Thema Plastik geschrieben.
Auch Christiane Alt hat in ihrer Familie Gedankenprozesse angestoßen. Ihre Mutter esse gerne viel Fleisch, deshalb habe sie sich in ihrer Schwester eine Verbündete für mehr Nachhaltigkeit im Alltag gesucht: "Wir haben ihr Sojageschnetzeltes untergejubelt und es ihr erst später verraten. Sie hat nichts bemerkt und es hat ihr gut geschmeckt, das gibt es bei uns jetzt öfter." Um das Thema außerhalb ihrer Familie weiterzutragen, will sie Starterkits für mehr Nachhaltigkeit im Alltag zusammenstellen, damit der Anfang leichter fällt. Damit hatte nämlich auch Nachhaltigkeitspraktikerin Hanna Gatzemeier so ihre Probleme: "Ich habe gelernt, dass der erste Schritt der schwierigste ist. Aber wenn der Anfang gemacht ist, fällt vieles leichter."
Giacomo Zanon arbeitet in einem Krankenhaus in Frankfurt und hatte sich vorgenommen, die 15 Kilometer Pendelweg dorthin mit dem Fahrrad zurückzulegen. Manchmal halte ihn das Wetter zwar noch davon ab, meistens nutze er aber inzwischen sein Fahrrad für den Arbeitsweg. Das sei schließlich auch besser für die Gesundheit als Autofahren. Herumgesprochen habe sich sein Vorhaben unter seinen Kolleginnen und Kollegen ganz von selbst: "Die Leute kommen auf mich zu und sagen 'Ich bin heute mit dem Fahrrad gekommen, extra für dich'", erzählt er schmunzelnd.
Engagement für kommende Generationen
Maria Hergenhan hat sich der Umweltverschmutzung angenommen und sammelte in den Projektmonaten ganze 30 Kilogramm Müll in der Natur. Dabei hat sie gemerkt, dass Müll vor allem an den Stellen liegen bleibt, an denen sich Menschen gerne aufhalten. Sie will Erklärvideos drehen, in denen sie Tipps gibt, wie Müll auf Ausflügen vermieden werden kann, damit auch weniger liegenbleibt. Isabelle Neuling will ihren Plastikmüll reduzieren und hat sich ein anderes Medium ausgesucht: Sie möchte für ihre Kinder ein Buch über Nachhaltigkeit im Alltag schreiben.
Cora Sitte beschäftigte sich vor allem mit dem Thema Pflege- und Kosmetikprodukte und konnte viele Dinge in ihrer Routine austauschen: Sie verwendet Zahnputz-Tabs und ein Seifenstück statt Duschgel aus der Plastikflasche. Am meisten begeistert sie aber, dass sie ihre Haare mit einer Mischung aus Roggenvollkornmehl und Wasser waschen kann: "Das ist super einfach und preiswert." Als Grundschullehrerin will sie das Thema Nachhaltigkeit im Alltag auch in ihren Unterricht einfließen lassen.
Am Ende der Urkundenvergabe reißt die Wolkendecke über dem Bootshaus auf und lässt einen Regenbogen von einem Mainufer zum anderen erstrahlen. So soll auch die Inspiration der Nachhaltigkeitspraktiker auf ihr Umfeld abstrahlen. "Ihr seid als positives Beispiel vorausgegangen", sagt Projektleiterin Annika Löffler-Djahani abschließend, "das löst hoffentlich eine Kettenreaktion aus."
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