Die Straßen-Uni vermittelt obdach- und wohnungslosen Menschen wissenschaftliche Zusammenhänge allgemeinverständlich und führt ohne Zugangsschwelle an interessante Wissensgebiete heran.
Bildung ist ein Menschenrecht und ein menschliches Bedürfnis. Oftmals finden aber diejenigen, die sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen, keinen Zugang zu gängigen Bildungsangeboten. Das Projekt Straßen-Uni richtet sich an genau diese Menschen. Es schafft sowohl neue Zugänge zu Wissen als auch zu Orten in Frankfurt, von denen sich Obdach- und Wohnungslose ausgschlossen fühlen. Unter dem Motto "Wir wollen es wissen" finden pro Semester sechs Vorträge über gesellschaftlich relevante Themen statt. Die "Fachbereiche" der Straßen-Uni sind: "Wirtschaft und Gesellschaft", "Frankfurt und Drumherum", "Kunst und Kultur", "Geist und Glaube" sowie "Gesundheit und mehr". Die Vorträge mit anschließendem Gespräch werden von Fachleuten ehrenamtlich gehalten.
2019 wurde dieses besondere Bildungsangebot gemeinsam von der Katholischen Erwachsenenbildung, der Franziskustreff-Stiftung und der Stiftung Polytechnische Gesellschaft lanciert. Zu diesem Zeitpunkt war noch ungewiss, wie die Resonanz sein würde. Würde es gelingen, die Zielgruppe zu erreichen? Würden wir die potenziellen Referenten überzeugen können? Alle Sorgen stellten sich als unbegründet heraus. Denn gleich nach dem ersten Vortrag waren sich die Zuhörer einig: "Das hat in Frankfurt gefehlt!", "Endlich mal was
für den Kopf!". Inzwischen hat sich ein fester Kreis einer treuen Zuhörerschaft gebildet, der zu jeder Veranstaltung kommt. Aber es erscheinen auch immer wieder neue Gesichter.
Was alle Zuhörer eint, ist ihre kaum stillbare Neugier. Nach jedem Vortrag wird rege mit den Referenten diskutiert. Eigentlich sind Vortrag und Fragerunde auf maximal eine Stunde angesetzt, doch selten verlassen die Teilnehmer den Großen Saal im Haus am Dom, in dem die Vorträge stattfinden, pünktlich. Sie nutzen ihre Chance, den Experten Fragen zu stellen, gern und ausgiebig. Das Niveau der Fragen beeindruckt auch die Referenten.
Ein weiteres Anliegen der Straßen-Uni: Sie möchte den Vortragsrednern wie den Zuhörern, Lehrenden wie Lernenden, Einblicke in die jeweils andere Lebenswelt eröffnen und so den Respekt und das Verständnis füreinander fördern. Auch die Redner werden durch die Begegnungen bereichert; das Thema der Wohn- und Obdachlosigkeit wird in einem neuen Licht erfahrbar.
Gesprochen wurde in der Straßen-Uni schon über viele Themen. Fragen wie "Warum Streiten so wichtig ist für die Demokratie", "Läuft Deutschland in die Schuldenfalle?" oder "CoViD-19: Was können wir aus der Coronakrise lernen?" wurden ebenso diskutiert wie "Weltberühmte Kunst in Frankfurt", "Goethe – Frankfurts großer Sohn" und "Die Eintracht als verbindendes Element der Stadt".
»Was alle Zuhörer eint, ist ihre kaum stillbare Neugier.«
Die Straßen-Uni möchte aber nicht nur eine Brücke schlagen zwischen Menschen und zu Wissensgebieten, sie möchte auch den Zugang zu Orten schaffen. Deshalb werden regelmäßig Exkursionen angeboten. So war die Straßen-Uni unter anderem schon im Städel Museum, im Historischen Museum, im Jüdischen Museum, im Senckenberg Naturmuseum, bei der Frankfurter Eintracht und im Goethe-Haus zu Gast. Im Juni stand ein Besuch im Institut für Bienenkunde auf dem Programm.
Der Straßen-Uni gelingt es, Berührungsängste zwischen Menschen und Zugangshürden zu kulturellen Institutionen abzubauen. Inzwischen nehmen einige der Zuhörer der Straßen-Uni auch an anderen öffentlichen und kostenfreien Vorträgen teil, wie jenen der Polytechnischen Gesellschaft e.V. Diese Entwicklung spornt an. Die auch mit Vorschlägen der Zuhörerinnen und Zuhörer gespickte Liste der Ideen ist lang und die Vorfreude auf das kommende Semester groß. "Bildung ist für alle da" – diese Forderung ist zugleich Motivation und Vision der Straßen-Uni.