TUMO ist ein innovatives digitales Lernzentrum, das Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren die Möglichkeit bietet, kreative Technologien in einer motivierenden Umgebung zu erlernen. Das Konzept stammt aus Armenien und hat mittlerweile auch in Deutschland Fuß gefasst, mit Zentren in Berlin und Mannheim. Hier kommen die Teilnehmenden ein- bis zweimal pro Woche nach der Schule für je zwei Stunden zusammen, um Skills zu erlernen, mit Expertinnen und Experten in Austausch zu kommen und ihren Horizont zu erweitern. Die Projektverantwortliche Laura Gevorgyan, Dr. Dana Kube (Vorsitzende des Bildungsausschusses der Stadt Frankfurt) und Dr. Arijana Neumann (Fachbereichsleiterin "Arbeit und Beruf" der Volkshochschule Frankfurt) berichten im Interview über die Pläne, ein TUMO-Lernzentrum in Frankfurt einzurichten.
Welche Ziele verfolgen Sie mit dem TUMO-Lernzentrum in Frankfurt, und wie passt dieses Projekt in die Bildungslandschaft der Stadt?
Dr. Dana Kube (DK): Unser Lernlabor TUMO Frankfurt ist ein Leuchtturmprojekt und ein gutes Beispiel dafür, wie die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Institutionen und der privaten Hand erfolgreich gelingen kann. TUMO wird ein Ort der Inspiration, des kostenlosen Lernens und der Gemeinschaft für die junge Generation in Frankfurt. Es ist essenziell, dass Kinder unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern die Möglichkeit erhalten, ihr volles Potenzial zu entfalten und ihre Begeisterung für digitales Lernen zu entwickeln.
TUMO schließt als außerschulisches Angebot eine wichtige Lücke, da es Kompetenzen vermittelt, die Schulen derzeit noch nicht in der notwendigen Tiefe abdecken können. Der große Unterschied zu anderen Bildungsangeboten liegt in drei Punkten: Erstens ist TUMO kostenlos – im Gegensatz zu den meisten außerschulischen Angeboten, die Geld kosten und damit den digitalen Graben verstärken, der bereits viele Kinder aus finanziell schwächeren Familien von solchen Möglichkeiten ausschließt. Zweitens ermöglicht die Skalierung, dass täglich 200 und wöchentlich bis zu 1.000 Kinder betreut werden – ein bisher einzigartiges Angebot in Frankfurt. Drittens bietet TUMO mit einem festen Standort ein langfristig angelegtes Bildungshaus, das nicht nur bestehen bleibt, sondern auch die Zusammenarbeit mit Förderern, Unternehmen und anderen Initiativen fördert.
Welche konkreten digitalen Kompetenzen werden die Jugendlichen im TUMO-Zentrum erwerben, und wie bereiten diese sie auf zukünftige Herausforderungen in Beruf und Gesellschaft vor?
Laura Gevorgyan (LG): In Frankfurt werden zehn Lernfelder angeboten, darunter technische Fachrichtungen wie Programmieren, Robotics, 3D-Modellierung und Spieleentwicklung sowie kreative Bereiche wie Filmproduktion, Musikproduktion, Fotografie und Grafikdesign.
Nach einer Orientierungsphase entscheiden sich die Jugendlichen für drei Themengebiete, zu denen sie mithilfe der TUMO-Software einen personalisierten Lernpfad, einen sogenannten TUMO Path, erstellt bekommen. Für jedes Thema gibt es drei Levels. Zwischen zwei Leveln muss ein Workshop absolviert werden. Neben den fachlichen Kenntnissen entwickeln die Jugendlichen auch wichtige Soft Skills wie eigenständiges Arbeiten, kritisches Denken und Teamarbeit. Durch den Verzicht auf Noten fördern wir Experimentierfreude und eine positive Fehlerkultur, was wiederum unternehmerisches Denken und kreative Problemlösungsfähigkeiten stärkt.
In Armenien sind die Zentren schon seit mehr als zehn Jahren aktiv, das erlaubt ein langfristiges Impact Assessment. Eine unabhängige Bewertung von Dalberg International hat Folgendes festgestellt: Schülerinnen und Schüler verbessern ihre schulischen Leistungen – insbesondere in Mathematik – signifikant. Nach Abschluss von TUMO arbeiten oder studieren 45 Prozent der Absolventinnen und Absolventen im MINT-Bereich, verglichen mit 13 Prozent in der Kontrollgruppe. Wenn Designfächer hinzukommen, steigt dieser Anteil auf 62 Prozent. TUMO-Studierende gehören zudem häufiger zu den Besten ihrer Hochschulgruppen. Diese Ergebnisse möchten wir auch in Frankfurt erreichen.
Welche Synergien sehen Sie in der Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen?
LG: Wir freuen uns, bereits starke Förderpartner in der Region zu haben, die unsere Vision und Mission teilen und uns finanziell unterstützen – darunter auch die Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Unsere Zusammenarbeit möchten wir jedoch über die finanzielle Unterstützung hinaus ausbauen und vertiefen, etwa durch gemeinsame Bildungsprojekte im Rahmen der "Learning Labs", einem außerkurrikularen Programm in den Schulferien. Hier bieten sich vielfältige Möglichkeiten an, z. B. innovative Themen im gesellschaftlichen Kontext zu bespielen.
Unser Ziel ist es, dass TUMO zu einem lebendigen Ort des Austauschs und des Wissenstransfers innerhalb der lokalen Bildungslandschaft wird, wodurch vielfältige Synergien und Kooperationen mit weiteren Institutionen entstehen können. Gleichzeitig wollen wir sicherstellen, dass wir mit unserem niedrigschwelligen Angebot möglichst viele Kinder in Frankfurt erreichen. Dafür arbeiten wir eng mit lokalen Partnern zusammen, die bereits wertvolle Arbeit leisten, um die Bedürfnisse dieser Kinder zu erkennen und gezielt anzusprechen.
Gemeinsam können wir so einen nachhaltigen Einfluss auf das Leben dieser Kinder haben und ihnen dabei helfen, ihre Potenziale vollständig zu entfalten.
Wo stehen Sie gerade mit dem Projekt in Frankfurt?
LG: Anfang Dezember 2024 haben wir unserem Projekt einen offiziellen Startschuss gegeben, indem wir den Mietvertrag mit unserem Vermieter – dem NordWestZentrum – unterzeichnet haben. Die Fläche einer ehemaligen Buchhandlung wird nun in ein innovatives Lernzentrum mit futuristischem Design umgebaut – das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Langweilig wird es uns in der Zwischenzeit jedoch nicht! Wir haben mehrere Stellen in unserem administrativen und pädagogischen Team zu besetzen: Workshopleitungen, Coaches sowie Expertinnen und Experten für Marketing und Verwaltung – it takes a village! Außerdem steht eine Reise nach Armenien bevor, wo wir das große TUMO-Zentrum in Jerewan besichtigen und von den lokalen Expertinnen und Experten geschult werden. Mit Beginn des neuen Schuljahres starten wir in den Frankfurter Schulen mit Schnupperworkshops, um unsere Zielgruppe direkt anzusprechen und ihnen schon einmal einen Vorgeschmack auf TUMO zu geben.
DK: Das NordWestZentrum wurde bewusst gewählt: Die Nordweststadt ist eine Großwohnsiedlung, ein Revier mit hohem Bedarf an niedrigschwelligen Nachmittagsangeboten für Kinder. Es ist ein wichtiges Signal für die Stadtentwicklung, genau hier einen Leuchtturm für digitale Bildung und Talentförderung zu schaffen.
Können lokale Organisationen und Unternehmen zur Förderung des Projekts beitragen?
LG: Jeder, der möchte, kann Teil der Frankfurter TUMO-Bewegung werden! Lokale Unternehmen und Privatpersonen können uns über den gemeinnützigen Förderverein für TUMO Frankfurt e.V. finanziell unterstützen.
Dr. Arijana Neumann (AN): Im Hinblick auf lokale Organisationen wäre auch ein Wissenstransfer durch Workshops möglich. Bei Einrichtungen, wo Jugendliche schon angedockt sind, besteht die beste Zusammenarbeit darin, die Jugendlichen für TUMO zu gewinnen und ihnen Brücken in das Lernzentrum zu bauen. Dies ist zum Beispiel mit der Arche in der Nordweststadt geplant.
Welche langfristigen Auswirkungen erhoffen Sie sich für Frankfurt und die Region durch das TUMO-Lernzentrum?
AN: Schon heute fehlen Fachkräfte in den Bereichen MINT und digitale Kreativität. TUMO soll junge Menschen außerhalb der Schule dazu anregen, sich kreativ mit Apps, KI und Computertechnologie auseinanderzusetzen. Wie die bereits erwähnte Dalberg-Studie zeigt, kann TUMO schon früh das Interesse für den digitalen Bereich wecken – und für manche zum Startschuss für eine Karriere in diesem Bereich werden, angefangen bei Praktika während der Schulzeit bis hin zur Wahl eines Studiums oder einer Ausbildung. In jedem Fall vermittelt TUMO allen Fachkräften von morgen ein Grundverständnis für die digitale Welt.