Mohamed-Amin Zariouh, Amin genannt, ist Diesterweg-Alumnus der dritten Generation. Der 19-jährige Frankfurter mit marokkanischen Wurzeln hat eine beachtliche Bildungskarriere hingelegt, die ihn auf die Internatsschule Schloss Hansenberg und bis in die USA gebracht hat. Ein Porträt.
Zielstrebig. Zuverlässig. Pünktlich. Mit diesen drei Adjektiven würde sich Amin selbst beschreiben. Doch könnten dem Abiturienten noch viel mehr Attribute hinzugefügt werden. Mehrsprachig beispielsweise, Amin spricht nahezu sechs Sprachen fließend. Doch auch damit gibt er sich noch nicht zufrieden: "Ich kann mir auch vorstellen, Mandarin zu lernen", berichtet er. Ein weiteres Wort, das auf ihn zutrifft, ist 'bedacht'. Im Gespräch wählt er seine Worte überlegt, nimmt sich Zeit. Man merkt, dass es ihm wichtig ist, klar zu kommunizieren. Nicht verwunderlich, dass für Amin als mögliches Berufsziel Diplomat im Raum steht. Ein Beruf, in dem man klar kommunizieren und die richtigen Worte finden muss. Schauspielerei und Musical – er singt Sopran im Schulchor – findet er ebenfalls sehr interessant.
Andererseits will sich Amin noch nicht festlegen. "Eigentlich bin ich an allem interessiert", zeigt er sich nachdenklich, "Ich warte jetzt erst mal ab, wie meine Abiturnoten werden. Vielleicht werde ich auch Medizin studieren, ich finde Orthopäde einen spannenden Beruf." Amin besucht Schloss Hansenberg, eine Internatsschule für besonders begabte, leistungsmotivierte und sozial kompetente Schüler des Landes Hessen. Amin hat ein Stipendium für den Besuch des Internats erhalten, und fühlt sich rundum wohl dort. Der klar strukturierte Tagesablauf gefällt ihm, und das WG-Leben in den Häusern des Internats bringt ihm interessante, vielfältige Kontakte und Einblicke. Neben den üblichen schulischen Pflichten ist ehrenamtliche Arbeit vorgeschrieben im Schulalltag. Für Amin ist das nichts Neues, schon vor dem Besuch des Internats war er ehrenamtlich tätig. Zudem war er im Kreisschülerrat im Vorstand auf Landesebene aktiv. Die Art und Weise, wie dort diskutiert wurde, sowie die Unterschiede zwischen öffentlichen Schulen und seiner Internatswelt, haben ihn nachhaltig beeindruckt: "Das ist Politik in klein, auf Schulmaß ausgearbeitet. Ich fand es total interessant, Diskussionen über Anliegen zu führen und die verschiedenen Meinungen zu hören. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, daran mitzuwirken."
Prägender Moment
Prägend, wenn nicht gar lebensverändernd war für Amin und seine Familie die Aufnahme in das Diesterweg-Stipendium für Kinder und ihre Familien. Wie üblich wurde Amin von der Grundschullehrerin angesprochen, ob er mit seiner Familie daran teilnehmen wolle. Für die Eltern gab es eine Broschüre, die erstmal Neugier, aber nicht Begeisterung hervorrief: "Meine Eltern waren erst mal ganz neutral eingestellt." Dies sollte sich nach einer Einladung in die Stiftung zu einem Kennenlerngespräch jedoch ändern: "Nach dem Gespräch waren meine Eltern voll geschockt. Sie fanden das Stipendium toll, den Umgang miteinander und was die Ziele sind. In dem Moment haben sie erst so richtig verstanden, was es bedeutet, Teilnehmer zu sein." Als dann der Brief mit der Zusage nach Hause kam, wurde dem damals noch kleinen Amin sogar noch ein Streich gespielt: "Ich bin nach Hause gekommen und alle haben mich grinsend angeschaut und gesagt: 'Komm doch rein und setz Dich.' Ich wusste, dass irgendwas nicht stimmt. Meine Mutter hat mich angeschaut und meinte 'Amin, es ist leider nichts geworden, es hat nicht geklappt' – und das mit einem Grinsen im Gesicht. Ich wusste, es war ihr sehr, sehr wichtig. Da habe ich zurückgegrinst und gesagt: 'Okay, was wollen wir jetzt machen?' Daraufhin sagte sie: 'Vielleicht kann ich mich ja nochmal bewerben.' Dann kam meine Schwester aus der Küche mit einem Muffin mit Kerzen drauf. In dem Moment war mir klar, dass wir es in das Diesterwegs-Stipendium geschafft haben. Das war wirklich ein toller Moment."
Die nächsten Monate und Jahre, die Amin und seine Familie im Rahmen des Diesterweg-Stipendiums und dem Anschlussprogramm betreut und gefördert wurden, haben ihn sehr geprägt: "Wir durften Frankfurt aus einer neuen Perspektive kennenlernen und haben neue Menschen getroffen." Ganz besonders hat Amin die persönliche Betreuung im Herzen behalten: "Dieser Support, dieser Zusammenhalt, diese Unterstützung; es wurde immer gefragt, es musste nie etwas angesprochen werden – egal ob bei mir, meinen Geschwistern oder meinen Eltern. Wir haben immer ein offenes Ohr gefunden, und das hat mir einen ganz neuen Weg in meinem Leben eröffnet. Ich glaube, dass das Diesterweg-Stipendium mein Leben zum Besseren verändert hat."
Für Amin war das Diesterweg-Stipendium also ein Türöffner, es hat ihm Selbstbewusstsein und Mut verliehen hat: "Ohne das Stipendium wäre ich vielleicht nie so weit gegangen, hätte es vielleicht nicht auf die Internatsschule geschafft und mich nicht für den Auslandsaufenthalt in den USA beworben."
Der Auslandsaufenthalt in einem Vorort von Seattle im Jahr 2018 war für den großgewachsenen Schüler ein weiteres einzigartiges Erlebnis. Denn Amin hat erstmals in seinem Leben ein ganz neues Freiheitsgefühl kennenlernen dürfen: "Ich konnte machen, was ich wollte. Meine Gastmutter hat mir sehr viele Freiheiten eingeräumt. Und ich glaube, dass die Erlebnisse in den Staaten mich zu der Person gemacht haben, die ich heute bin. Einfach weil ich so viel lernen und mich selbst ausprobieren und kennenlernen konnte, da ich dort auf mich allein gestellt war. Ich würde sagen, dass es das bisher beste Jahr in meinem Leben war. Ich konnte einfach ich selbst sein, und das war total schön."